Ebola in Madrid

Erste Infektion in Europa wirft Schlaglicht auf Krise des spanischen Gesundheitssystems
Das spanische Gesundheitswesen ist nicht erst seit dem Bekanntwerden der ersten Ebola-Infektion außerhalb Afrikas am vergangenen Montag in der Krise. Die regierende konservative Volkspartei PP hat mit drastischen Einsparungen in den letzten vier Jahren das Gesundheitssystem ausgehöhlt und forciert in Riesenschritten dessen Privatisierung.

Durch ein entsprechendes Dekret verwehrt es seit zwei Jahren Migranten ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis das Recht auf medizinische Grundversorgung.

Im Juli 2013 kritisierte Amnesty International den daraus resultierenden Ausschluss von 873.000 Personen aus der staatlichen Gesundheitsversorgung als eine Verletzung der Menschenrechte. Kürzungen im Gesundheitsbereich von 7,2 Milliarden Euro in den letzten vier Jahren führten zu einer untragbaren Situation. Schließungen von Notaufnahmen und kürzere Öffnungszeiten der Ambulatorien sowie lange Wartelisten für Besuche bei Spezialisten oder Operationen können über Leben und Tod entscheiden. Mit 28.500 Beschäftigten weniger im vergangenen Jahr ist qualitätsgerechte Gesundheitsversorgung nicht mehr gewährleistet. Proteste und Streiks von Krankenhauspersonal sowie Besetzungen von Gesundheitszentren machten jedoch keinen Eindruck auf die Regierung, die ihre Kürzungspolitik auch in den kommenden zwei Jahren fortsetzen will.

In diesem Kontext waren sich in Gewerkschaftskreisen erste kritische Stimmen zu vernehmen, als die spanische Regierung im August und September dieses Jahres zwei in Afrika tätige, an Ebola erkrankte Missionare nach Spanien rückführte, um ihnen in Madrid die entsprechende medizinische Betreuung zukommen zu lassen. Mangelnde Schulung des betreuenden Personals und eine unzureichende Logistik warfen die Kritiker den Verantwortlichen vor. Doch die Regierung beschwichtigte: Alles unter Kontrolle. Die beiden Missionare überlebten die Krankheit jedoch nicht. Der Priester Miquel Pajaras starb am 12. August, nachdem er fünf Tage zuvor aus Liberia ins Hospital Carlos III in Madrid eingeliefert worden war. Im selben Krankenhaus starb am 25. September der Geistliche Manuel Garcia Viejo, der in Sierra Leone an Ebola Erkrankte betreut und sich dabei selbst angesteckt hatte.

Als sich am vergangenen Montag in Madrid der erste Fall einer Infektion mit dem Ebola-Virus außerhalb Afrikas bestätigte, war die Ratlosigkeit bei Gesundheitsministerin Ana Mato groß. Wie konnte sich Teresa Romero, die als Schwesternhelferin im Hospital Carlos III die beiden Kranken betreut hatte, angesteckt haben? Inzwischen hat die Regierung die Überprüfung der Protokolle angeordnet, nachdem Brüssel zwei Gesundheitsexperten nach Madrid entsandt hatte.

Romero, die einen Tag nach dem Tod Manuel Garcias bereits die ersten Symptome der Krankheit aufwies, wurde erst fünf Tage später ins Krankenhaus eingeliefert. Seitdem befindet sie sich in Quarantäne und wird mit zwei bisher nicht getesteten Pharmaka behandelt. Laut Aussagen eines betreuenden Arztes habe Romero angegeben, sich beim Umziehen mit den Handschuhen im Gesicht berührt zu haben, was die Ursache der Ansteckung sein könnte. Obwohl es laut Protokoll Beobachter bzw. Kameraüberwachung geben sollte, konnten keine Aufzeichnungen gefunden werden, die diese Aussage bestätigen. Der behandelnde Arzt Manuel Juan Parro beschrieb in einem internen Brief an die Krankenhausleitung verschiedene Versäumnisse im Protokoll und beklagte unter anderem, dass die Ärmel der Schutzanzüge viel zu kurz gewesen seien. Inzwischen wurde auch bekannt, dass der Krankenwagen, der Teresa Romero transportierte, noch weitere sieben Patienten aufnahm, bevor er desinfiziert wurde.

Unterdessen befinden sich 80 Personen unter Beobachtung, darunter 30 Krankenhausangestellte, die Manuel Garcia betreuten, sowie weitere Personen, mit denen die Schwesternhelferin in den letzten Tagen in Kontakt stand. Fünf davon, darunter ihr Ehemann, befinden sich in Quarantäne. Die Madrider Ärztegewerkschaft und das Krankenhauspersonal beklagen erneut mangelnde Fortbildungen und Information über den Umgang mit Ebola-Kranken und werfen der Regierung vor, sich durch individuelle Schuldzuweisung ihrer eigenen Verantwortung zu entziehen. Auf Kundgebungen wurde der Rücktritt der Gesundheitsministerin gefordert.
veröffentlicht in jw am 10_10_2014