Entscheidung am 9. November

Katalonien: Regierungschef Artur Mas unterzeichnet Dekret über Unabhängigkeitsreferendum. Madrid will Abstimmung verhindern
Unmittelbar nach Inkrafttreten des vom katalanischen Parlament verabschiedeten Gesetzes über Volksbefragungen hat der katalanische Ministerpräsident Artur Mas am Samstag per Dekret für den 9. November die Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit Kataloniens einberufen. »Dies ist ein historisches Datum, es gibt ein Davor und ein Danach«, erklärte Mas, während auf dem Platz vor dem Regierungspalast Hunderte Menschen den weiteren Schritt zur Abtrennung von Spanien feierten.

Die in Madrid regierende Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy ist jedoch fest entschlossen, das von den katalanischen Parlamentariern mit einer Mehrheit von 80 Prozent verabschiedete Gesetz und das Referendum durch eine Klage vor dem Verfassungsgericht zu Fall zu bringen. Vizepräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría bekräftigte die Entschlossenheit des spanischen Staates, die Volksabstimmung unter keinen Umständen stattfinden zu lassen.

Artur Mas hatte sich mit seiner Unterschrift acht Tage Zeit gelassen. Das war offenkundig ein bewußtes Manöver. Das Verfassungsgericht in Madrid tagt nur von Montag bis Donnerstag, und wäre das Gesetz in diesem Zeitraum im Amtsblatt veröffentlicht worden, wäre es vermutlich noch am selben Tag annulliert worden. Die Richter in Madrid hatten in der Vergangenheit immer wieder autonome Entscheidungen der Katalanen unter Berufung auf die geltende Verfassung kassiert, so daß in Barcelona auch in diesem Fall kaum jemand mit einem fairen Urteil rechnet.

Befriedigt über die Unterzeichnung des Dekrets zeigte sich das linke Wahlbündnis CUP, deren Abgeordnete Quim Arrufat und David Fernandéz an der von Mas einberufenen Zeremonie teilnahmen. Fernandéz erklärte anschließend gegenüber dem katalanischen Fernsehsender TV3, daß nun die Weichen gestellt seien und alles in der Hand der Bevölkerung liege. Artur Mas richtete sich seinerseits mit einer in drei Sprachen gehaltenen Ansprache sowohl an die katalanische als auch an die spanische Bevölkerung sowie an die internationale Gemeinschaft und hob die Legitimität des Gesetzes und der Befragung als eines demokratischen Verfahrens hervor. Der Regierung in Madrid bot er erneut Verhandlungen an. In einem Interview mit TV3 erklärte er zudem, er sei bereit, persönlich und politisch alle Risiken auf sich zu nehmen, um diesen Prozeß zu Ende zu führen. Das Gesetz sei juristisch und formal legitim. Sollte es jedoch vom Verfassungsgericht annulliert werden, müßten neue Möglichkeiten in Betracht gezogen werden. Eine wenn auch schlechte Alternative seien »plebiszitäre Neuwahlen«. Bei einer solchen würden das Parlament aufgelöst und die Katalanen zur Entscheidung über ihre Abgeordneten an die Urnen gerufen. Die antretenden Parteien sollten sich dann für oder gegen die Unabhängigkeit positionieren. Wenn die Befürworter der Eigenständigkeit die Mehrheit gewinnen – worauf alle Umfragen hindeuten –, würde das Parlament dann eigenständig die Abspaltung von Spanien erklären. Dafür müsse die Einheit gestärkt werden, bekräftigte Mas seinen Aufruf an die Republikanische Linke (ERC), in sein Kabinett einzutreten.

Die katalanische Regierung hat bereits eine Kampagne unter dem Motto »Du entscheidest« in die Wege geleitet. Mit einer Infrastruktur von 800 Wahllokalen und einem Budget von sieben Millionen Euro sollen die logistischen Voraussetzungen zur Abhaltung des Volksentscheides geschaffen werden. Ernst wird es, wie die Tageszeitung El Punt/Avui am Sonntag berichtete, bereits ab dem 20. Oktober. Dann können im Ausland lebende Katalanen, am 9. November eingebundene Wahlhelfer sowie Menschen mit Körperbehinderung bereits vorgezogen ihre Stimme abgeben. Wahlberechtigt sind alle Katalanen ab 16 Jahren und auch alle seit einem Jahr in der Region lebenden EU-Ausländer. Menschen aus anderen, nicht der Union angehörenden Ländern müssen seit drei Jahren in Katalonien beheimatet sein, um am Referendum teilnehmen zu können.
veröffentlicht in jw am 29_9_2014