Sieg für Katalonien

Loslösung von Spanien: Mehrheit stimmt bei Parlamentswahl für Unabhängigkeitsparteien. Schlappe für regierende CiU

Bei den vorgezogenen Neuwahlen zum katalanischen Parlament ist die konservativ-nationalistische Regierungspartei CiU (Konvergenz und Union) am Sonntag zwar erneut stärkste Kraft geworden, mußte mit dem Verlust von zwölf Sitzen jedoch eine deutliche Schlappe hinnehmen. Sie stellt künftig 50 der 135 Abgeordneten und hat ihr proklamiertes Wahlziel einer absoluten Mehrheit nicht nur verfehlt, sondern blieb mit dem Stimmenverlust auch weit hinter den Erwartungen zurück.

Bei einer Wahlbeteiligung von 70 Prozent, der höchsten seit den Autonomiewahlen von 1980, hat die katalanische Bevölkerung für einen politischen und sozialen Wechsel gestimmt. Erstmals als zweitstärkste Kraft gingen die offen für die Unabhängigkeit eintretenden Katalanisten der ERC (Republikanische Linke) mit 21 Abgeordneten aus den Wahlen hervor, zehn Mandate mehr als bisher. Die sozialdemokratische PSC (Partei der Sozialisten), die bisher diesen Platz innehatte, erzielte mit 20 Sitzen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte und verlor acht Mandate. Das linksökologische Bündnis ICV-EUiA (­Initiative für Katalonien, Grüne – Vereinigte und Alternative Linke), an dem auch die katalanischen kommunistischen Parteien beteiligt sind, gewann drei Sitze hinzu und stellt in Zukunft 13 Abgeordnete.

Zum ersten Mal hat sich die basisdemokratische und antikapitalistische Unabhängigkeitspartei CUP (Kandidatur der Volkseinheit) bei Parlamentswahlen präsentiert und auf Anhieb mit drei Sitzen den Einzug ins Parlament geschafft. Die Partei Katalanische Solidarität SI ist hingegen künftig nicht mehr vertreten.

Die rechten Parteien konnten ihre Stellung ebenfalls ausbauen. Viertstärkste Partei wurde die in Madrid regierende Volkspartei (PP), die mit 19 Abgeordneten ein Mandat hinzugewann. Die pro-spanischen Ciutadans (Bürger) konnten ihre Präsenz verdreifachen und sind in Zukunft mit neun Parlamentariern vertreten. Die rassistische Plattform für Katalonien (PxC) hingegen hat den Einzug einmal mehr nicht geschafft und mußte leichte Einbußen hinnehmen. Die Partei von Josep Anglada, die faschistisches Gedankengut verbreitet, kam auf knapp 60000 Stimmen.

Die CiU des katalanischen Präsidenten Artur Mas ist nun auf die Bildung einer Koalition angewiesen. In einer ersten Analyse räumte er die Niederlage ein und rief die ERC auf, gemeinsam das Referendum für die Unabhängigkeit vorzubereiten. Deren Spitzenkandidat Oriol Junqueras hat die Verantwortung seiner Partei, diesen historischen Prozeß voranzubringen, unterstrichen, zugleich jedoch an Mas die klare Ansage gerichtet, daß die Republikaner als linke Partei dessen bisherige Politik des Sozialabbaus nicht unterstützen werde. Die drastischen Kürzungen, die die CiU in den vergangenen Jahren betrieben hatte, gilt als zentrale Ursache für deren Stimmverluste. Die Bevölkerung hat sich gegen den neoliberalen Sparkurs und für soziale Neuerungen ausgesprochen. Gleichzeitig hat sie den Unabhängigkeitsparteien ihre Mehrheit gegeben. Insgesamt stellen diese 87 der 135 Volksvertreter im Parlament und haben angekündigt, nun das Plebiszit über die Loslösung Kataloniens vom spanischen Staat vorbereiten zu wollen. Auch das Erstarken der pro-spanischen Parteien PP und Ciutadans wird diesen Prozeß wohl nicht aufhalten können, so daß die nun beginnende elfte Legislaturperiode die letzte einer katalanischen Autonomieregierung innerhalb Spaniens sein könnte.
veröffentlicht in jw am 27_11_2012