Urteil nicht anerkannt

Katalanische Regierung hält an alternativer Volksbefragung fest. 30.000 Helfer wollen Abstimmung ermöglichen
Am Dienstag hat das spanische Verfassungsgericht erneut einer Eingabe der Zentralregierung zugestimmt und die von der katalanischen Regierung angesetzte alternative Volksbefragung über die Unabhängigkeit Kataloniens am 9. November verboten. Das bedeutet das Verbot aller in bezug auf die Volksbefragung stehender Aktivitäten, wie beispielsweise die Aufrechterhaltung der Internetseite, auf der über die zuständigen Wahllokale informiert wird, sowie die Fortführung der Kampagne für das Mitbestimmungsrecht.

Bereits Ende September entschied das Verfassungsgericht einstimmig gegen ein Referendum zu den Fragen: »Wollen Sie, dass Katalonien ein eigener Staat wird? Falls ja, wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat wird?« In einer außerordentlichen Sitzung setzten die vorwiegend der konservativen Volkspartei PP angehörenden Richter den Volksentscheid vorläufig aus. Daraufhin hatte der Präsident der Generalität Artur Mas am 14. Oktober erklärt, das Referendum könne unter den gegebenen Umständen nicht stattfinden, um eine alternative Volksbefragung im Rahmen eines sogenannten Mitbestimmungsprozesses unter der gleichen Fragestellung anzukündigen.

Nachdem die Kampagne für das Referendum ausgesetzt worden war und Mas den Schritt einer alternativen Volksbefragung im Alleingang verkündet hatte, war es bei den prokatalanischen Parteien zu einem Vertrauensbruch mit der Regierung gekommen. Die Republikanische Linke (ERC), das Linksbündnis ICV-EUiA und die Kandidatur für Volkseinheit (CUP) haben sich inzwischen auf den Minimalkonsens geeinigt, die alternative Volksbefragung zu unterstützen. Abstimmungsberechtigt sind alle Bürger ab 16 Jahre, die ihren Wohnsitz seit einem Jahr in Katalonien haben, bei Nicht-EU-Bürgern sind es drei Jahre. Ebenfalls wählen können Katalanen im Ausland.

Ob es am Sonntag tatsächlich zum Urnengang kommen wird, bleibt abzuwarten. Über 30.000 freiwillige Helfer wollen die Abstimmung ermöglichen. Regierungssprecher Francesc Homs hat nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtes bestätigt, dass die Regierung am 9. November festhalten und den Mitbestimmungsprozess garantieren wird. Das Verfassungsgericht könne nicht verbieten, was nicht exisiere: Die Eingabe der Regierung würde lediglich das Verbot eines Volksentscheides fordern, bei der Abstimmung am Sonntag würde jedoch ein unverbindliches Stimmungsbild erfragt. Dies seien zwei absolut unterschiedliche Konzepte, und die katalanische Regierung bewege sich nach wie vor im legalen Rahmen. Zu Äußerungen, ob es tatsächlich Urnen geben wird, enthielt sich der Sprecher.

Homs kündigte ferner eine Klage gegen die Zentralregierung vor dem Obersten Gerichtshof an. Die Haltung der Regierung sei ein Angriff auf die fundamentalen Rechte der freien Meinungsäußerung, der Mitbestimmung und der ideologischen Ausdrucksfreiheit. Gleichzeitig setzte er für kommenden Freitag die Zusammenkunft des »Nationalen Paktes für das Recht auf Selbstbestimmung« an. Diesem gehören unter anderem die Nationale Katalanische Volksversammlung ANC, die Kulturorganisation Òmnium Cultural, Gewerkschaften, Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer, die parlamentarischen Gruppen, die den Selbstbestimmungsprozess unterstützen, sowie Vertreter der Regierung an. Damit will die Regierung die Einheit für die Selbstbestimmung stärken.

Unterdessen wurde durch einen Hackerangriff am Dienstag abend die Internetseite des Verfassungsgerichtes sabotiert. Um 22 Uhr erschallte zudem in Städten und Gemeinden in einer sogenannten »cassolada« töpfeschlagender Protest gegen das Urteil und die Kampagne der PP. Die Aktion stand unter dem Motto: »Für das Recht auf Selbstbestimmung und für zivilen Ungehorsam.« CUP und ERC haben indessen die Regierung aufgefordert, zu ihrem Wort zu stehen und die Befragung am 9. November zu garantieren.
veröffentlicht in jw am 6_11_2014