Spanien: Tausende demonstrieren für das Recht auf freie Meinungsäußerung, gegen Polizeistaat und Repression
In Spanien gab es am Samstag einen Tag des Protestes. In über 30 Städten gingen Tausende Menschen gegen das Gesetz »zur Sicherheit der Bürger«, das von der Opposition treffender als »Ley Mordaza« (Maulkorbgesetz) bezeichnet wird, sowie gegen die massive Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung auf die Straße.
Aufgerufen dazu hatten soziale Bewegungen und Gewerkschaften. Das Gesetz war am 11. Dezember vom Kongress, der ersten Kammer des Parlaments, verabschiedet worden.
In Madrid versammelten sich unter massiver Polizeipräsenz Tausende auf der Plaza de la Opera. Mit Personalienfeststellungen gleich zu Beginn der Kundgebung schuf die Polizei ein gespanntes und repressives Klima. »Schluss mit dem Polizeistaat«, »Die Stimme des Volkes ist nicht illegal« und »Es ist kein Gesetz, es ist Repression« waren einige der Losungen, unter denen sich die als Kundgebung angekündigte Versammlung schließlich zu einem Demonstrationszug formierte. Immer wieder erklang das Lied »La voz del pueblo« (»Die Stimme des Volkes«). An zwei Stellen zwang die Polizei die Demonstration durch Blockade zur Umkehr, und nach knapp zwei Stunden wurde ohne nennenswerte Zwischenfälle auf der Plaza del Sol der Abschlussbeitrag verlesen.
Auch in Barcelona setzte sich die als Kundgebung angekündigte Veranstaltung in einer Demonstration fort. Knapp 4.000 Personen zogen zur Vertretung der spanischen Regierung in Katalonien und forderten lautstark das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die sofortige Freilassung der Festgenommenen vom vergangenen Dienstag. In mehreren Städten Kataloniens und in Madrid waren Privatwohnungen, soziale Zentren sowie das historische besetzte Haus »Kasa de la Muntanya« durchsucht worden. In der sogenannten Operación Pandora wurden insgesamt elf Personen aus dem anarchistischen Spektrum unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie des Besitzes von Sprengstoff und der Teilnahme an Anschlägen gegen Bankautomaten festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt. Gegen sieben von ihnen wurden Haftstrafen verhängt, die anderen vier kamen unter Auflagen frei.
»Wenn ihr einen meint, meint ihr uns alle« und »Freiheit für alle Festgenommenen« waren zwei der Losungen, unter der die Demonstration schließlich nach knapp zwei Stunden zum Ende kam. Provokationen der Polizei wurden nicht beachtet. Lediglich ein brennender Container und einige gesprühte Parolen führten zu 15 Personenfeststellungen. Symbolisch hielten Fotojournalisten ihre Kamera vor der starken Polizeipräsenz nach oben, als Ausdruck dessen, dass das Maulkorbgesetz künftig das Fotografieren oder Filmen von Polizisten mit einer Geldstrafe von bis zu 600 Euro bedroht.
»Ihr werdet uns nicht zum schweigen bringen« – Protestdemonstrat
»Ihr werdet uns nicht zum schweigen bringen« – Protestdemonstration am Samstag in Madrid
Foto: AP Photo/Andres Kudacki/dpa
Das geplante Gesetz muß jetzt noch vom Senat, der zweiten Parlamentskammer, verabschiedet werden. Auch hier verfügt mit 165 von insgesamt 266 Senatoren der konservative Block aus der Volkspartei PP und ihren Verbündeten über eine absolute Mehrheit.
Obwohl die Veranstalter von einem großen Erfolg des Aktionstages sprachen, wird es nicht einfach sein, dieses auch von europäischen Menschenrechtsorganisationen kritisierte Gesetz zu kippen. Falls es in Kraft tritt, bedeutet dies einen erheblichen Einschnitt in die demokratischen Rechte. So könnten Flüchtlinge, die aus Marokko kommend die Grenze zu den spanischen Exklaven Melilla oder Ceuta überwunden haben, sofort wieder zurückdeportiert werden. Alle angeblichen Gesetzesverstöße, die nicht unter einen Straftatsbestand fallen, können mit Geldbußen bis zu 600.000 Euro belegt werden. Vorgesehen ist beispielsweise, nicht angemeldete Veranstaltungen oder das Nichtmitführen von Ausweispapieren mit bis zu 600 Euro zu bestrafen. Bis zu 300.000 Euro können künftig Ungehorsam oder Widerstand gegenüber Polizeikräften oder die Verweigerung der Auflösung einer Demonstration nach Aufforderung kosten. Mit bis zu 600.000 Euro kann zudem die Teilnahme an Demonstrationen vor dem Kongress, Senat oder Parlament bestraft werden.
veröffentlicht in jw am 22_12_2014