Mit sieben Ministern und dem Vizepräsidenten der katalanischen Regierung hat sich die Zahl der politischen Gefangenen aus Katalonien auf zehn erhöht
Am heutigen Donnerstag ordnete die Richterin des spanischen Sondergerichtshofes Audiencia Nacional, Carmen Lamela Diáz, Untersuchungshaft gegen sieben MinisterInnen und den Vizepräsidenten der katalanischen Regierung an. Ebenfalls inhaftiert wurde der vor Tagen zurückgetretene Minister Santi Vila, der unter Zahlung von 50.000 Euro Kaution freigelassen werden könnte. Gegen den katalanischen Präsidenten Puigdemont
und weitere vier MinisterInnen des Kabinetts, die sich derzeit in Belgien befinden, wurde inzwischen ein internationaler Haftbefehl erlassen. Ihnen wird, ebenso wie den verhafteten Regierungsmitgliedern Rebellion, Aufruf zur Aufruhr sowie die Veruntreuung von Geldern im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober vorgeworfen. Allein für den ersten Vorwurf drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis. Puigdemont und seine MinisterInnen die Anfang dieser Woche in Brüssel überraschend Schutz vor der juristischen Verfolgung suchten, bezeichnen die Verhaftungen als unverhältnismässig sowie einen schweren Schlag gegen die Demokratie und fordern die Freilassung der Inahftierten . In einer ersten Erklärung zu den Festnahmen kritisierte Puigdemont die Verhaftung als schweren Fehler, sprach von einem Attentat auf die Demokratie und von einer Verletzung der Basisprinzipien. Der Konflikt habe aufgehört, eine interne Angelegeheit zu sein und sei ein Schlag gegen die von Spaniens Zentralregierung angesetzten Wahlen am 21. Dezember.
Nach der Anhörung der Politiker des katalanischen Kabinetts war die Richterin Lamela der Forderung des Oberstaatsanwaltes Maza gefolgt und hatte Untersuchungshaft angeordnet. Diese steht jedoch auf dünnen Beinen. Denn für den Straftatbestand der Rebellion fehlt nach Aussagen des Juristen Elpidio José Silva die Anwendung der Gewalt und tatsächlich wurden in Korruptionsfällen weitaus mehr Geld bewegt, als es die Generalitat, wenn überhaupt, für das Referendum verwendet hat, ohne dass die darin Verstrickten ein Gefängnis von innen gesehen hätten. Worin der Vorwurf der Aufruhr bestehen soll, bleibt ebenfalls ungeklärt. Denn die Mobilisierungen entstammten einer Basisbewegung, während die Politiker die Entscheidungen der Strasse lediglich parlamentarisch umsetzen. Tatsächlich scheint es also eher um eine Kriminalisierung der Ideen zu gehen, mit der Madrid die Türen zu einem Dialog über die Unabhängigkeit nicht nur zuschlägt, sondern zumauert. Dass er dabei auf die spanische Justiz setzen kann, ist nichts Neues. Die Richterin Lamela spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Kurz nach ihrer Auszeichnung mit dem silbernen Verdienstkreuz der Guardia Civil hatte sie gegen acht baskische Jugendliche im Oktober 2016 nach einem Streit mit eben dieser paramilitärischen Polizeieinheit Untersuchungshaft wegen Körperverletzung terroristischer Umtriebe angeordnet. Die acht Jugendlichen aus Altsasu sitzen noch immer im Gefängnis, ihnen drohen bis zu 375 Jahre Haft. Auch war es Lamela, die den Haftbefehl gegen die beiden Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung Jordi Sánchez und Jordi Cuixart unterschrieb, die sich seit 18 Tagen in Haft befinden.
Die katalanische Parlamentspräsidenten Carme Forcadell und die Mitglieder des Präsidiums, die am heutigen Donnerstag ebenfalls vor Gericht geladen waren, wurden inzwischen unter Polizeiüberwachung gestellt. Ihre Anhörung wurde auf den kommenden Donnerstag vertagt.
Aus Protest gegen die Verhaftung der Regierungsmitglieder gingen noch am selben Abend Tausende auf die Strasse. Vor dem Parlament in Barcelona und auf Rathausplätzen in ganz Katalonien wurde die Freitheit der Inhaftierten gefordert. Aber auch die Stimmen für einen Generalstreik wurden laut. Tatsächlich ist ein solcher nicht mehr auszuschliessen. Für den 12. November haben die Basisorganisationen ANC und Òmnium Cultural zu einer Grossdemonstration aufgerufen.