Katalonien: Parteien positionieren sich im Wahlkampf zur Unabhängigkeit
Nachdem das katalanische Parlament in seinem letzten Plenum vorgezogene Neuwahlen beschlossen und mit großer Mehrheit für ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt hat, ist seit vergangenem Wochenende die Vorwahlkampfphase in vollem Gange.
Die Neuwahlen am 25. November stehen ganz im Zeichen der bevorstehenden Volksbefragung. Soziale und ökonomische Wahlkampfziele treten durch den nationalen Aspekt in den Hintergrund, der bei dieser Wahl die zentrale Frage darstellt.
Bis Mitte September dieser Legislaturperiode trug die nationalkonservative Convergència i Unió (CiU) zur Regierbarkeit des spanischen Staates bei. Sie unterstützte sowohl die sozialdemokratische PSOE als auch die rechtskonservative Partido Popular (PP), als diese keine absolute Mehrheit hatten. Doch auch als in der zweiten Regierungsperiode Aznars und aktuell unter Rajoy dazu keine Notwendigkeit mehr bestand, konnte die Regierung auf die Stimmen von CiU zählen. Als Gegenleistung unterstützte die katalanische Sektion der Partido Popular, die PPC, die Minderheitsregierung von CiU in der Region. Gemeinsam haben die beiden Parteien unter europäischem Diktat drastische Sparmaßnahmen und Beschneidungen im sozialen und arbeitsrechtlichen Bereich durchgesetzt.
Durch das bevorstehende Referendum kommt es im Vorwahlkampf zu einer Bildung zweier Blöcke mit der rechtskonservativen PPC und Ciutadans auf der einen, den links-sozialdemokratischen Kräften ERC, ICV, der nationalistischen »Solidarität für die Unabhängigkeit« (SI) und der nationalkonservativen CiU auf der anderen Seite.
Zwischen diesen beiden Blöcken befinden sich momentan die Sozialdemokraten Kataloniens (PSC), die bereits in der Vergangenheit auf ein föderalistisches Modell gesetzt hatten. Die Partei hat sich mit dem Festhalten am föderalistischen Modell, das von keiner anderen politischen Kraft getragen wird und in Anbetracht einer politischen Situation, in der die Basis die Unabhängigkeit fordert, in eine Sackgasse manövriert. Auf dem PSC-Parteitag am vergangenen Wochenende fiel die Entscheidung für Generalsekretär Pere Navarro als Spitzenkandidat. Einmal mehr konnte sich die Basis nicht von der Parteidisziplin lösen, um einen Richtungswandel einzuleiten und auf die Prozesse in Katalonien zu reagieren.Am Mittwoch haben über 100 PSC-Mitglieder in einem Manifest die Unterstützung eines souveränen Staates unter Einbeziehung sozialer Forderungen verlangt.
Unterdessen ist am Donnerstag der Versuch einer gemeinsamen Allianz zwischen ERC und SI primär an der Frage der Kandidatenreihenfolge auf der Wahlliste gescheitert. ERC ist derzeit bemüht, Bündnispartner zu finden, um einen gemeinsamen Kontrapunkt zur konservativen CiU zu setzen. Dies könnte unter Einbeziehung von Reagrupament (einer Abspaltung von ERC) passieren. Sie haben auch jenen Sozialdemokraten ein Angebot gemacht, die mit der föderalistischen Linie nicht einverstanden sind.
Falls sich die »Kandidatur für die Volkseinheit« (CUP) dazu entscheiden sollte, erstmals an einer Parlamentswahl teilzunehmen, wird sie dies voraussichtlich ohne Bündniszugehörigkeit tun, um anhand des Wahlergebnisses ihre eigene Stärke einschätzen zu können. Die CUP, deren Programm für Unabhängigkeit, Sozialismus und Ökologische Nachhaltigkeit steht, wird am 13. Oktober über eine Teilnahme an den Wahlen entscheiden. ICV zeigt sich derzeit nicht an einem Bündnis interessiert, in dem sie keine Vormachtstellung hat, und sucht ihre Verbündeten in den sozialen Bewegungen der »Empörten« und in kleineren Parteien.
Auf der anderen Seite kommen PPC und die rechten Ciutadans trotz Einigkeit in der Frage der Unteilbarkeit des spanischen Staates nicht zusammen. Allerdings wird in beiden Parteien momentan diskutiert, ob sie gemeinsam mit der faschistischen und rassistischen »Plattform für Katalonien« zur Demonstration am 12. Oktober, dem spanischen Nationalfeiertag, aufrufen wollen. Die am vergangenen Samstag in Barcelona gegründete Plattform »Spanien und Katalanen« ist Veranstalterin dieser Demonstration und hat bereits weitere Aktivitäten gegen die Unabhängigkeit angekündet.
Katalonien: Parteien positionieren sich im Wahlkampf zur Unabhängigkeit
veröffentlicht in jw am 6_10_2012