Katalonien: Verfassungsrechtler billigen Referendum über Unabhängigkeit
Mehrere hundert Katalanen haben am Sonntag am Brandenburger Tor in Berlin für die Durchführung einer Volksabstimmung in ihrer Heimat demonstriert. Für den 9. November ist in der bislang zu Spanien gehörenden autonomen Region ein Referendum vorgesehen, in dem die Menschen über die Bildung eines unabhängigen Staates entscheiden sollen. Bislang wird die Durchführung jedoch durch die Zentralregierung in Madrid blockiert, die ein Votum über die Eigenständigkeit Kataloniens als Bruch der spanischen Verfassung wertet.
Zu einer anderen Wertung kam in der vergangenen Woche der »Consell de Garanties Estatuàries« (CGE, Rat für statuarische Garantien), ein Gremium der Generalitat, das über die Einhaltung der Bestimmungen im katalanischen Autonomiestatut und in anderen Gesetzen wacht. Die dort vertretenen Richter erklärten in ihrer Entscheidung vom 19. August, daß das Gesetz, das das Parlament in Barcelona Mitte September beschließen soll, rechtmäßig sei. Die Entscheidung des aus neun Mitgliedern bestehenden Rates fiel jedoch knapp aus. Während fünf der Juristen die 14 Artikel des Gesetzentwurfs über das Referendum als den juristischen Normen des spanischen Staates entsprechend bewerteten, drückten die übrigen vier in unterschiedlichen Stellungnahmen Bedenken aus. Übereinstimmend zielt ihre Kritik darauf, daß das Ziel des Referendums die Unabhängigkeit Kataloniens sein soll.
Trotzdem sieht sich die katalanische Regierung durch die Mehrheitsentscheidung des CGE bestätigt. Der Abgeordnete Josep Rull von der bürgerlichen CiU erklärte mit Blick auf ein mögliches Verbot der Volksabstimmung durch das spanische Verfassungsgericht, daß ein solches Urteil dann eine politische Entscheidung ohne rechtliche Grundlagen wäre. Die Volkspartei PP, der katalanische Flügel der spanischen Regierungspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy, kritisierte, daß der CGE sich nicht wie beantragt über die Rechtmäßigkeit der festgelegten doppelten Fragestellung »Soll Katalonien ein Staat werden?« und »Soll dieser Staat unabhängig sein?« geäußert hat. Die prospanischen »Ciutadans« (Bürger) beschuldigten die Regierung, das CGE für ihre politische Ziele instrumentalisiert zu haben, um einen »illegalen Volksentscheid« durchführen zu können.
Trotzdem dürfte das Gesetz im katalanischen Parlament mit breiter Mehrheit durchgewunken werden. Die Allianz dafür besteht aus der CiU, der »Republikanischen Linken« (ERC), dem Linksbündnis ICV-EUiA sowie der linksradikalen »Kandidatur für die Volkseinheit« (CUP). Im vergangenen November hatten sich diese auf die Fragestellung für das Referendum geeinigt sowie den 9. November 2014 als Termin festgelegt. Der katalanische Präsident Artur Mas (CiU) versucht seither, mit der Regierung in Madrid eine Vereinbarung über dessen Durchführung zu erreichen. Die Antwort der PP ist nach wie vor ein vehementes Nein. Barcelona setzt deshalb jetzt auf einen formaljuristischen Weg, in dessen Kontext das angestrebte Gesetz zur Abhaltung einer Volksbefragung steht.
Das Referendum am 9. November soll der Höhepunkt einer jahrelangen Kampagne werden. Schon im September 2009 hatte in der kleinen Gemeinde Arenys de Munt ein inoffizielles Referendum stattgefunden hatten. Dieser ersten Volksabstimmung folgten 605 weitere, an denen sich insgesamt mehr als 800000 Menschen beteiligten, die mit überwältigender Mehrheit für die Loslösung von Spanien votierten. In der Folge gründete sich im März 2012 die »Assemblea Nacional Catalana« (ANC, Katalanische Nationalversammlung) als überparteiliche Basisbewegung, die inzwischen 51000 Mitglieder zählt. Sie organisierte spektakuläre Großaktionen wie eine 400 Kilometer lange Menschenkette zum katalanischen Nationalfeiertag am 11. September letzten Jahres, an der sich 1,5 Millionen Menschen beteiligten. Für den kommenden 11. September mobilisiert die ANC zu einer erneuten Großkundgebung in Barcelona. Hunderttausende Menschen sollen dann ein gigantisches »V« bilden, das symbolisch für die Worte »Voluntat« (Wille), »Votar« (wählen) und »Via« (Weg) steht.
veröffentlicht in jw am 28_8_2014