Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont kündigt bei Prozess Referendum über Unabhängigkeit an
Über 40.000 Menschen haben am Montag zum Prozessauftakt gegen den ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas, dessen Stellvertreterin Joana Ortega und die damalige Bildungsministerin, Irene Rigau, in Barcelona ihre Unterstützung für die Angeklagten demonstriert. Die drei Politiker müssen sich vor dem höchsten Gericht Kataloniens (TSJC) wegen Ungehorsam und Rechtsbeugung im Zuge des nicht bindenden Referendums vom 9. November 2014 über die Unabhängigkeit Kataloniens vom spanischen Staat verantworten. Für Mas fordert die Staatsanwaltschaft ein zehnjähriges Amtsverbot und 36.000 Euro Strafe. Für Ortega und Rigau verlangt die Anklage, dass diese jeweils neun Jahre keine politischen Posten innehaben dürfen sowie eine Geldbuße von 30.000 Euro.
In einer von den drei Angeklagten abgehaltenen Pressekonferenz am 5. Februar hatte Mas erklärt: »Sie wollen uns auf Knien, aber wir stehen auf beiden Beinen. Sie wollen uns gebeugt, aber wir gehen aufrecht.« Zum Prozessauftakt übernahm er die alleinige Verantwortung für die Volksbefragung. Die drei Beschuldigten erklärten zudem, dass sie sich keines Vergehens schuldig fühlten und auch heute wieder die Urnen aufstellen würden. Ein Amtsverbot wollen sie unter keinen Umständen akzeptieren. Gegebenenfalls soll der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg eingeschaltet werden.
Auch gegen andere katalanische Politiker gibt es Verfahren. Carme Forcadell, ehemals an der Spitze der katalanischen Nationalversammlung (ANC) und derzeit Parlamentsvorsitzende, wird vorgeworfen, die Debatte und Abstimmung über den »verfassunggebenden Prozess« im Parlament zugelassen zu haben. Im Dezember wurde sie deshalb vor Gericht geladen. Auch gegen den ehemaligen Minister Francesc Homs wurde im Januar der Prozess eröffnet. Sowohl Forcadell wie auch Homs drohen Amtsentzug, Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter und Geldstrafe. Insgesamt liegen derzeit über 400 Klagen gegen katalanische Kommunalpolitiker vor.
Die Einheit Spaniens als oberste Prämisse wird nicht nur von der korrupten postfranquistischen Regierungspartei Partido Popular (PP) proklamiert, sondern auch von der rechtsliberalen Liste »Ciudadanos« und der sozialdemokratischen PSOE. In einem Interview mit dem katalanischen Fernsehen betonte Mas, die Prozesse seien politisch motiviert. Er zweifele zudem an der Unabhängigkeit der Gerichte. Immer wieder wurden seit der Abänderung des Autonomiestatuts der Region im Jahre 2010 durch das spanische Verfassungsgericht nicht nur die Unabhängigkeit betreffende Beschlüsse aus Katalonien von diesem verworfen.
Kataloniens Regierung hält an einem Referendum über die Unabhängigkeit fest. Ein solches soll spätestens im September 2018 abgehalten werden, bekräftigte zum Prozessauftakt der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont. Dessen Regierungsbündnis arbeitet daran, die Strukturen für eine geregelte und demokratische Volksbefragung zu schaffen. Ein wichtiger Schritt dafür war die Zustimmung der antikapitalistischen »Kandidatur für die Volkseinheit« (CUP) zu den Haushaltsplänen vor knapp zwei Wochen.
Die Minderheitsregierung von Puigdemont ist auf die Unterstützung der CUP angewiesen. Letztere plädiert für ein baldiges Referendum, während das katalanische Kabinett immer noch auf Verhandlungen mit dem spanischen Staat setzt. Madrid lehnt nach wie vor jegliche Verhandlungen ab und kündigte an, im Falle einer weiteren Abstimmung das Autonomiestatut der Region außer Kraft zu setzen.
veröffentlicht in jw am 8.2.2017