Der spanischen Regierungspartei kommt der Katalonienkonflikt gerade recht, um von ihren korrupten Machenschaften abzulenken. Dabei sollte der Korruptionsskandal endlich wieder auf die Tagesordnung
Der Prozess gegen Francisco Correa und weitere 36 Angeklagte im Korruptionsfall Gürtel ging heute nach 13 Monaten zu Ende. Die deutsche Übersetzung des Nachnamens von Hauptangeklagten Correa, für den 125 Jahre Gefängnis gefordert wurden, hatte dem Skandal seinen Namen gegeben. Der als Drahtzieher der illegalen Finanzierung der regierenden Volkspartei PP geltende Correa bot am letzten der 125 Verhandlungstage seine uneingeschränkte Kollaboration in allen noch offenen Angelegenheiten an. Im Gegenzug fordert er Haftentlassung. Seit Mitte Februar sitzt er im Gefängnis, nachdem er vom Obersten Gerichtshof in Valencia bereits wegen Schmiergeldzahlung und Bestechung zu 13 Jahren verurteilt worden war. Unterdessen fand der Prozess vor dem Sondergerichtshof der Audiencia Nacional wegen illegaler Spendenfinanzierung heute seinen Abschluss. Das Urteil wird in den kommenden Monaten erwartet.
Zehn Jahre lang war gegen Mitglieder der Volkspartei wegen paralleler Buchführung, Schmiergeldzahlung und illegaler Spenden ermittelt worden. Am 6. Februar 2009 hatte der Richter der Audiencia Nacional Baltasar Garzón dann ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Die Festnahme von Correa erfolgte noch am selben Tag. Der 62-Jährige soll zwischen 1999 und 2005 mit dem Geld von Unternehmern ranghohe Politiker der PP bestochen haben. Im Gegenzug hatten die Unternehmen vermutlich lukrative Aufträge erhalten. Im Zuge der Ermittlungen fiel der Fokus schnell auf Luis Bárcenas, von 1990 – 2009 Schatzmeister der PP. Dieser soll die sogenante Caja B, die Schwarzgeldkasse in die die illegalen Gelder vermutlich flossen, verwaltet haben. Im Juli 2013 veröffentlichte die spanische Tageszeitung El País dessen Rechnungsbücher, die als papeles de Bárcenas bekannt wurden. Bárcenas gab im Laufe der Ermittlungen zu, dass diese Aufzeichnungen von ihm stammten. Politiker der PP Spitze tauchten darin auf. Demzufolge hatten ein Jahr nach Amtsantritt José Maria Aznars Generalsekretäre und deren Stellvertreter regelmässige Zahlungen erhalten. Darunter fiel auch der derzeitige Ministerpräsident Mariano Rajoy, der von 1997-2008 jährlich einen „Zusatzlohn“ von 25.200 € erhalten haben soll. Dieselbe Summe konnte offenbar auch die aktuelle Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal verbuchen. Selbst an den damaligen Präsident Aznar könnten Gelder geflossen sein, seine Initialen finden sich in den Unterlagen wieder.
Im Laufe des Verfahrens wurde durch Rechtshilfe aus der Schweiz bekannt, dass der Ex-Schatzmeister Bárcenas bis zu 22 Millionen Euro auf Konten bei der Dresdner Bank in Genf angehäuft hatte. Wenige Tage nach der Verhaftung von Correa hatte er das Geld auf internationale Konten transferiert. Die mit Finanzdelikten beauftragte Abteilung der spanischen Polizei vermutet, dass Bárcenas noch weitere Gelder in Steuerparadiesen hat. Rund elf Millionen Euro überwies er in den letzten Jahren nach Spanien zurück- dank einer Steueramnestie der Regierung Rajoy gegen eine Abschlagszahlung von zehn Prozent.
Die Korruptionsaffäre betrifft die PP in Madrid, Valencia, und Andalusien und der Prozess gegen Correa ist einer unter vielen. Bereits 2010 wurde gegen Francisco Camps, Präsident der Autonomieregierung von Valencia, verhandelt. Im Juli 2010 trat dieser von seinem Amt und als Parteichef zurück. Ende 2011 wurde er mit fünf zu vier Stimmen aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Als erster Ministerpräsident in der Geschichte der spanischen Demokratie musste Rajoy als Zeuge im Juli diesen Jahres in dem Korruptionsverfahren aussagen. Der Regierungschef stritt vehement ab, jemals Schwarzgeldzahlungen bezogen zu haben, obwohl sein Name in den Bárcenas-Aufzeichnungen auftaucht. Über SMS-Nachrichten an Bárcenas, in denen er ihn nach Auffliegen des Skandals zum Durchhalten bestärkte, konnte er keine überzeugenden Erklärungen geben. Rajoy hatte ihn damals in Schutz genommen und seinen Anwalt auf Parteikosten bezahlt.
Im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal gibt es inzwischen bereits zehn Todesfälle. Unter mysteriösen Umständen starb Isidro Cuberas, ehemaliger Pressechef und Schlüsselfigur bei der Aufklärung über die Machenschaften in Andalusien. Er war über eine Woche verschwunden, bis man ihn tot auffand. Mit seinem Motorrad war er in eine Schlucht gestürzt.
Nichtsdestotrotz konnte sich eine von Korruptionsvorwürfen gerüttete PP-Regierung weiterhin an der Macht halten. Unterstützt wird deren Minderheitsregierung derzeit durch die ökonomisch-liberalen Ciutadanos, obwohl die zu den letzten Wahlen mit einem Antikorruptionsprogramm angetreten waren.
Das Thema Korruption muss nicht nur im Parlament wieder auf die Tagesordnung. Dort verteidigte die Podemos-Abgeordnete Carolina Bescansas einen Untersuchungsausschuss: „Es gibt viele unterschiedliche Gerichtsverfahren. Dabei sind nicht alle Fälle gleich. Sie haben zwar die Finanzierung der Volkspartei gemeinsam, ereigneten sich jedoch in unterschiedlichen Regionen Spaniens. Die Justiz vermag somit nicht, das gesamte Bild in einem Verfahren darstellen. Das wollen wir im Untersuchungsausschuss erreichen.“
Die gesamte Dimension der Korruptionsaffäre sollte jedoch Bestandteil einer öffentlichen Debatte werden. Während Rajoy und der PP-Regierung der Konflikt um die Unabhängigkeit in Katalonien gelegen kommt, um das Thema zu überdecken und den Skandal auszusitzen, müsste sich Druck auf der Strasse und von den Oppositonsparteien neu entfalten. Auch bei den Wahlen vom 21. Dezember in Katalonien, die Rajoy ausrief nachdem er dort das Parlament aufgelöst und mit dem Artikel 155 die katalanische Regierung entmachtet hatte, sollte es nicht nur um die Frage der Unabhängigkeit und Repression gehen.