Quim Torra wird Ministerpräsident in Katalonien. Mit der Regierungsbildung verschwindet der Repressionsartikel 155
Seit dem 2. Juni hat Katalonien endlich eine Regierung. Rund sieben Monate nachdem im spanischen Kongress die Applikation des Verfassungsartikels 155 beschlossen und das katalanische Parlament aufgelöst wurde, ist die Generalitat wieder entscheidungsfähig.
Mit Quim Torra wurde ein Vertrauensmann des von der Zentralregierung abgesetzten Präsidenten Carles Puigdemont neuer Ministerpräsident. Torra, ein konservativer Nationalist ist aufgrund Artikel gegen Spanien und die Empörtenbewegung des 15 März nicht unumstritten.
Mit der Regierungbildung fällt auch der Artikel 155 von dem während des siebenmonatigen politischen Ausnahmezustandes insgesamt 259 Personen betroffen waren. 28 Institutionen bekommen damit ihre Autonomie zurück. Katalonien kann von jetzt an auch wieder begrenzt über die ökonomischen Ressourcen entscheiden. Denn noch ist unklar ob die spanische Regierung die 2015 verhängte Kontrolle des Finzanzministeriums zurücknimmt.
Torra kündigte bei Amtsantritt an, 16 unter der Regierung Puigdemont verabschiedete und von spanischen Gerichten suspendierte Gesetze wieder in Kraft treten zu lassen. Priorität hat nach wie vor jedoch die Lösung des Konfliktes um die Unabhängigkeit und dabei können Torra und seine neuformierte Regierung auf ein verändertes Szenarium in Madrid blicken. Fast zeitgleich konsitutierte sich dort nämlich ein neues Kabinett, mit dem sozialdemokratischen Pedro Sánchez (PSOE) an der Spitze. Sánchez hatte es vergangenen Freitag geschafft, einen Misstrauensantrag gegen Mariano Rajoy und dessen korrupte PP-Regierung durchzuboxen. Damit könnten die verhärteten Fronten im Katalonienkonflikt gebrochen werden. Torras Botschaft an den neuernannten Präsidenten kam jedenfalls prompt und direkt: „Wir setzen auf Dialog und Verhandlungen.“ Sánchez selbst hatte bei seiner Rede zum Misstrauensvotum erklärt: „Es wird eine neue Etappe eröffnet“ und zeigte erste Gesprächsbereitschaft. Allerdings könnten Verhandlungen schon schnell auf unüberwindbare Hindernisse stoßen, sollte Quim Torra weiter am Aufbau einer unabhängigen katalanischen Republik festhalten, wie dies beim Referendum vom 1. Oktober entschieden wurde. Sánchez, der bisher die Einheit Spaniens verteidigte und für die Anwendung des Repressionsartikel 155 stimmte, wird Katalonien mit Sicherheit nicht ziehen lassen. Eher wird er versuchen, die Katalanen mit einer Erweiterung des Autonomiestatuts zu gewinnen.
Die Klärung der Situation der politischen Gefangenen, die zum Teil seit über sieben Monaten in Präventivhaft sitzen, sowie die Rückkehr der Exilierten wird bei möglichen Verhandlungen besonderes Gewicht haben. Da dies jedoch im juristischen Kompetenzbereich des spanischen Obersten Gerichtshofes liegt und dessen ermittelnde als Hardliner bekannte Richter Pablo Llarena keinerlei Ambitionen zeigt, von seinen Anklagepunkten abzurücken, wäre die Zentralregierung nur bedingt in der Lage, eine Lösung anbieten. Selbst unter Rücknahme der Anklage seitens der Staates gibt es da noch immer die Ultrarechte VOX, die die Nebenklage führt.
Inzwischen nahm Torra bereits erste Amtshandlungen auf. Gestern besuchte er die ehemalige Kunstschule Massana in Barcelona, die Migrantinnen seit eineinhalb Monaten besetzt halten. Sie fordern die Abschaffung des Einwanderungsgesetzes und bürokratische Erleichterungen von der Generaltiat zur Erlangung ihres Aufentaltsrechtes. Eine Sprecherin der Bewegung erklärte nach Torras Visite, der Einschluss würde so lange weitergeführt, bis konkrete Zusagen von der katalanischen Regierung vorliegen.
Heute Mittag erschien Torra in Berga, der Wiege der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung Die Kleinstadt in den Vorpyrenäen begeht seit Donnerstag die Festlichkeiten des Weltkulturerbes „La Patum“. Dort wurde Torra mit Rufen für die Freiheit der politischen Gefangenen und einer klaren Botschaft empfangen: Wir wollen den Aufbau einer katalanischen Republik – Unabhängigkeit jetzt!“