Solidarität mit Prekären

1. Mai in Barcelona: Streikende Subunternehmer und Selbständige von Telefónica-Movistar an der Spitze des Demonstrationszuges
Die alternative antikapitalistische Demonstration zum 1. Mai in Barcelona bildete den Abschluss eines kämpferischen Arbeiterkampftags in der katalanischen Metropole. Angeführt wurde der Protestzug durch die sich seit dem 7. April landesweit streikenden Selbständigen und bei Subunternehmen Angestellten, die für den Telefon- und Internetanbieter Telefónica-Movistar arbeiten.

Bereits am Vormittag hatten die beiden großen Gewerkschaften Spaniens in einer gemeinsamen Demonstration unter dem Motto »Soziale Unsicherheit ist Ausbeutung« um die 60.000 Personen mobilisiert.

Joan Carles Gallego, Generalsekretär der Comisiones Obreras (CCOO, Arbeiterkommission) in Katalonien, forderte auf der Abschlusskundgebung unter anderem Lohnerhöhungen, um den Konsum anzuregen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Nur stabile und sichere Beschäftigungsverhältnisse könnten eine Kontinuität qualifizierter Arbeit gewährleisten, die es den Unternehmen ermögliche, in neue Technologien zu investieren. Dies sei notwendig, um die Wirtschaft zu modernisieren und den sozialen Frieden zu erhalten, betonte Gallego. In ähnliche Richtung ging auch der Beitrag des Generalsekretärs der Gewerkschaft Unión General de Trabajadores (UGT), Josep Maria Álvarez. Er forderte gerechte Löhne und eine Umverteilung des Reichtums, um vor allem die Langzeitarbeitslosen, die ohne Recht auf staatliche Unterstützung sind, vor sozialem Ausschluss zu schützen. Nach Álvarez seien es allein in Katalonien Zehntausende ältere Personen, die kein Arbeitslosengeld bekommen und auch keine Chance mehr haben, ins Arbeitsleben zurückzufinden. Deshalb bedürfe es eines Rettungsplanes, um diesen Menschen eine würdige Pensionierung zu ermöglichen. In einem gemeinsamen Manifest hatten CCOO und UGT sich außerdem gegen die Kürzungspolitik der Regierung, die Privatisierung des öffentlichen Sektors, das »Freihandelsabkommen EU-USA (TTIP) sowie für ein Mindesteinkommen ausgesprochen. Die prekären Arbeitsverhältnisse, die inzwischen als ein Bestandteil der modernen Gesellschaft gelten, sind in Wirklichkeit Ausbeutungsverhältnisse so die gemeinsame Erklärung.

Um die 6.000 Personen versammelten sich am Abend unter dem Motto »Die Arbeiterklasse für die Umverteilung von Arbeit und Reichtum« vor dem Sitz des Unternehmensverbands. Der anschließende Demonstrationszug, zu dem verschiedene soziale, politische und gewerkschaftliche Gruppen aufgerufen hatten, wurde von starker Polizeipräsenz begleitet und endete vor dem Gebäude der Deutschen Bank Barcelona mit einem Aufruf zum Generalstreik gegen »Sparpolitik« und kapitalistische Ausbeutung.

Im Verlaufe der Veranstaltung kam es aus den Reihen der Demonstranten zu Angriffen auf Symbole des Kapitals wie Geldautomaten und Bankfilialen. Dies führte zwischenzeitlich zu starken Spannungen. Die Polizei wollte intervenieren, zahlreiche beteiligte Zivilbeamte versuchten die Stimmung zusätzlich anzuheizen. Es gab mehrere Personenkontrollen, zu Festnahmen kam es nicht. Maria José Leche, Bürgermeisterkandidatin der antikapitalistischen Bewegung CUP-Capgirem Barcelona (Barcelona – für den fundamentalen Wechsel) wurde von der Polizei angegriffen und zu Boden geworfen, nachdem sie von Polizisten Auskunft über vorgenommene Ausweiskontrollen bei Demonstrationsteilnehmern verlangt hatte.

Abgeschlossen wurde die Demonstration vor den Gärten des Stadtteils Gracias mit einem Redebeitrag, der zur Solidarität mit von inhumanen Arbeitsbedingungen betroffenen Menschen und einer klaren Parteinahme gegen die kapitalistischen und patriarchalen Verhältnisse aufrief. Auch die beiden Gewerkschaften wurden kritisiert. »UGT-CCOO, ihr repräsentiert uns nicht«, war eine verbreitete Parole, die sich unter anderem auf die Verhandlungen der beiden Gewerkschaften mit Telefónica-Movistar hinter dem Rücken des Streikkomitees bezog. Der Ausstand der für Movistar als Selbständige oder in Subunternehmen Beschäftigten hatte bereits am 27. März in Madrid begonnen und gipfelte am 7. April in einer landesweiten Mobilisierung. Hintergrund sind die prekären Arbeitsbedingungen: Sieben-Tage-Woche, zehnstündige Arbeitstage, bei einem Lohn von 700 bis 800 Euro. Die Betroffenen fordern die Wiedereingliederung in den Telefonkonzern, bei dem mit seiner 1995 eingeleiteten Privatisierung um die 60.000 Arbeitsplätze ausgelagert wurden. Während Telefónica-Movistar den Protest aussitzen will, formiert sich die Solidarität mit den Streikenden, die ohne Lohn dastehen und auf Spenden aus einer eingerichteten Streikkasse angewiesen sind.

Spendenkonto: teleafonica.blogspot.com.es/p/cajas-de-resistencia.html
veröffentlicht in jw am 5_5_2015