Katalonien: Wahlsieger wirbt nach Parlamentsabstimmung um Koalitionspartner
Nach dem überraschenden Wahlergebnis bei den Parlamentswahlen in Katalonien zeichnet sich in der 7,5 Millionen Einwohner zählenden autonomen Gemeinschaft eine klare Entscheidung für ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit des Landes ab. Eine Regierungsmehrheit ist indes noch nicht in Sicht. Bei der Abstimmung am Sonntag vor einer Woche hatte die konservativ-nationalliberale Regierungspartei Convergencia und Union (CiU) des katalanischen Präsidenten Artur Mas nicht nur ihr angestrebtes Wahlziel einer absoluten Mehrtheit deutlich verfehlt, sondern zudem zwölf Mandate verloren.
Während die spanischen Medien das Wahlergebnis als Niederlage der Politik der Loslösung Kataloniens vom spanischen Staat sehen wollen, interpretierte die internationale Presse das Resultat als Stärkung der Unabhängigkeitsbewegung. So titelte etwa El Pais, „Mas‘ Plan scheitert an den Urnen“, während die Financial Times eine „Klare Mehrheit für ein Referendum“ verkündete.
Tatsächlich haben die Parteien, die sich für eine Volksabstimmung aussprechen, im Parlament eine klare Mehrheit erreicht. So kommen die nationalliberale CiU, die republikanische Linke (ERC) mit der linken Kandidatur der Volkseinheit (CUP) auf 74 Abgeordnete, gemeinsam mit der links-ökologischen ICV, die ebenfalls ein Referendum befürwortet, stellen sie sogar 87 der insgesamt 135 Abgeordneten.
Mas, der Vorsitzende der vormaligen Regierungspartei CiU, plagt sich unterdessen mit dem Problem der Regierbarkeit des Landes. Mit den 50 Mandaten, die seine Partei erreicht hat, bräuchte er dringend einen Koalitions- oder Bündnispartner.
Die sozialdemokratische Sozialistische Partei (PSC) ist ebensowenig wie die konservative PP, die CiU in der vorherigen Legislaturperidode unterstützte, zur Abhaltung eines Plebiszits bereit. Da CiU an ihrem Wahlversprechen eines Referendums festhält, kommen diese beiden Parteien als mögliche Partner somit nicht in Frage.
Artur Mas‘ erstes Angebot für eine Regierungsbildung an die als zweitstärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangene ERC wurde von deren Vorsitzendem Oriol Junqueras abgelehnt. Junqueras sagte Mas zwar seine Unterstützung für die gemeinsame Vorbereitung eines Referendums zu, zieht es jedoch vor, in der Opposition zu bleiben. Der bisherige Sparkurs der CiU läßt sich mit dem Sozialprogramm der ERC nicht vereinbaren.
Mas forderte nach der klaren Positionierung Junqueras‘ die ERC auf, einer Minderheitsregierung zu Stabilität zu verhelfen, so daß die Regierbarkeit gewährleistet wird und in gemeinsamen Verhandlungen zwei prinzipielle Ziele dieser Legislaturperiode erreicht werden können: die Überwindung der Krise unter Garantie sozialstaatlicher Errungenschaften sowie die Hinführung zu einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Landes.
ERC hat gleich zu Beginn die Karten auf den Tisch gelegt. Die Partei vertritt ein Sozialprogramm, das eine klare Abkehr vom derzeitigen Kürzungskurs der CiU vorsieht. Die Abschaffung der Rezeptgebühr von einem Euro, Steuererleichterungen für Wenigverdienende und eine gerechtere Einteilung der Lohnsteuerklassen sollen erste Schritte in diese Richtung einleiten. Gleichzeitig will ERC eine Erhöhung der Erbschafts- und die Einführung einer Vermögenssteuer. Ob die CiU auf diese Bedingungen eingeht, wird sich erst zeigen.
ERC hat auch bezüglich des Referendums eine klare Haltung und mit dem 13. September 2013 bereits ein Datum für die Abstimmung ins Auge gefaßt. Damit soll ermöglicht werden, daß Katalonien bereits im Jahr 2014 seine 300 Jahre vorher verlorene Unabhängigkeit wiedererlangen kann.
veröffentlicht in jw am 3_12_2012