Pegida Katalonien versucht Opfer der Anschläge von Madrid vor elf Jahren für antimuslimische Kampagne zu instrumentalisieren. Bisher aber mit mäßigem Erfolg
Ableger der in Dresden gegründeten »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) gibt es mittlerweile nicht nur in Deutschland. Mit einer Kundgebung in Hospitalet de Llobregat ist Pegida Katalonien am vergangenen Mittwoch erstmals öffentlich in Erscheinung getreten. Pegida.Cat nahm damit den elften Jahrestag des Bombenanschlags im Madrider Bahnhof Atocha am 11. März 2004 zum Anlass, bei dem 191 Menschen ums Leben gekommen waren. Die 2004 kurz vor den damaligen spanischen Parlamentswahlen begangene Anschlagserie auf Regionalzüge war wenig später einer islamistischen Zelle zugeordnet worden.
Pegida nutzte dies nun, um mit Unterstützung der rechten »Plattform für Katalonien« (»Plataforma per Catalunya«, PxC) Stimmung gegen Muslime in Kataloniens zweitgrößter Stadt zu schüren. Rund 60 Personen waren am Mittwoch dem Aufruf zu ihrer Kundgebung gefolgt. Sie versammelten sich just an dem Platz, wo die Skulptur des Künstlers Eduard Arranz Bravo »Brücke der Freiheit« an die Tradition des Widerstands gegen den Franco-Faschismus in Hospitalet erinnert.
Zu der üblichen, von Pegida aus Deutschland bekannten Agitation gegen den Islam allgemein entzündeten die Rechten Kerzen, um die Opfer von Atocha für sich und ihr Anliegen zu instrumentalisieren. Ein Vorgehen, das französische Karikaturisten nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris mit besonders bissigen Zeichnungen zurückgewiesen hatten, nachdem die deutsche Pegida-Führung ihre Anhänger aufgefordert hatte, mit Trauerflor zur nächsten Demonstration zu erscheinen.
Vergangene Woche in Hospitalet führten die katalanischen Pegida-Aktivisten neben den Kerzen auch an die Kreuzzüge erinnernde Georgsflaggen mit, um gegen die »Islamisierung des Abendlandes« und »die Bedrohung der kulturellen und physischen Identität Europas« zu demonstrieren. Vereinzelte »Sieg Heil«-Rufe und Drohungen gegen einen bekannten antifaschistischen Fotojournalisten beendeten die Kundgebung.
Rund 600 Gegendemonstranten hatten sich zeitgleich unter dem Motto »Pegida umzingeln – Stopp der Islamfeindlichkeit – Gegen Rassismus und Faschismus« ein paar hundert Meter weiter versammelt. Dazu aufgerufen hatte das Bündnis »Einheit gegen Faschismus und Rassismus« (UCFR), das nach dem Attentat auf die Redakteure von Charlie Hebdo eine breite Kampagne gegen Islamfeindlichkeit ins Leben gerufen hatte, um sich gegen die verstärkten Angriffe gegen Muslime zu stellen. Während ein Hubschrauber über der Demonstration kreiste, verhinderten mehrere Polizeihundertschaften das eigentliche Ziel der Gegendemonstration, die Pegida-Kundgebung zu umzingeln, und behinderten massiv die Pressearbeit. Nachdem sich der Demonstrationszug mit Parolen wie »No pasaran. Sie werden nicht durchkommen« und »Faschisten raus aus unseren Vierteln« in Bewegung gesetzt hatte, kam er bereits nach 200 Metern wieder zum Stillstand. Ein Polizeigürtel hatte den Zug gestoppt, an dessen Spitze kam es zu Spannungen zwischen Teilnehmern und Einsatzkräften.
Ein Vertreter der UCFR bezeichnete Pegida als »trojanisches Pferd des Faschismus« und erinnerte an die kläglichen Versuche der Pegida, international in Erscheinung zu treten, auf die es in Aarhus, Newcastle, Malmö oder Wien jeweils eine starke antifaschistische Antwort gegeben hatte. In dem Redebeitrag ging er auch auf die Rolle der rassistischen PxC ein, die 2002 von dem Franco-Anhänger Josep Anglada nach dem Vorbild des »Front National« in Frankreich gegründet worden war.
Sie ist inzwischen in vierzig Gemeinde- und Stadträten vertreten. Anglada wurde, nachdem er als charismatische Figur zahlreiche Skandale überstanden und PxC in die Parlamente geführt hatte, aufgrund der schlechten Wahlergebnisse von 2011 aus der Partei ausgeschlossen. Der jetzige Generalsekretär und Abgeordnete im Stadtparlament Igualadas, Robert Hernando, hatte am 12. Januar diesen Jahres gemeinsam mit dem PxC-Abgeordneten von Hospitalet, Daniel Ordoñez, an einer Pegida-Kundgebung in Dresden teilgenommen. Die Pegida.Cat-Sprecherin Montserrat Miñarro Bisbal war in der Vergangenheit auf verschiedenen Veranstaltungen der PxC anwesend. Unter den Teilnehmern der Pegida-Cat-Kundgebung fand sich aber nicht nur die PxC-Prominenz. Mit David Castillo von der »Front für Spanien« (»Frente x España«) und Jordi de la Fuente, Sprecher der sozialrepublikanischen Bewegung »Movimiento Social Republicano« (MSR), waren zwei bekannte Neofaschisten vertreten. Ebenfalls gesichtet wurden Yolanda Couceiro Morín, ehemalige Unterstützerin von PxC und Anglada und Herausgeberin von MinutoDigital, sowie dessen Direktor Santiago Fontela. Das Onlineportal stellt eine Verbindung zwischen Neonazis und Rechtspopulisten her. Auch Mitglieder freier Kameradschaften und Neonazis aus dem »Casal Tramuntana«, dem militanten Arm der PxC, waren vertreten. Die Versammlung steht in einer Reihe antiislamischer Kundgebungen der letzten Monate. Im Januar hatten sich in Valencia knapp 30 Anhänger der MSR versammelt, am 7. März stießen rund 30 Neonazis der »Demokratischen Nationalisten« (DN) auf etwa 100 Gegendemonstranten, als sie in Barcelona gegen einen angeblich geplanten Moscheebau auf die Straße gingen.
Während die antiislamische Bewegung seit dem Attentat auf Charlie Hebdo Aufwind bekommen hat, formiert sich in Katalonien andererseits eine breite Solidarität mit der muslimischen Gemeinde. An einer Veranstaltung im Rahmen der UCFR-Kampagne gegen Islamophobie in Barcelona nahmen am 19. Februar Tausende Personen teil. Der gemeinsame Feind Islam dürfte im Gegensatz dazu die traditionell zersplitterte Rechte nicht langfristig vereinen können.
veröffentlicht in jw am 18_3_2015