Schlag gegen Anarchisten

Spanien: Festnahmen bei Polizeiaktionen gegen autonome Strukturen und Personen
Am Montag sind in Spanien in Madrid, Granada, Palencia und Barcelona insgesamt 28 Personen aus dem anarchistischen Spektrum verhaftet sowie sechs autonome Zentren und elf Privatwohnungen durchsucht worden. 14 der Festgenommenen wird die Zugehörigkeit zur Grupos Anarquistas Coordinados (Koordination Anarchistischer Gruppen) und damit Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Absichten vorgeworfen. 14 weitere Personen wurden im Rahmen der Durchsuchungen wegen Widerstands gegen die die Staatsgewalt festgenommen.

Erst vor drei Monaten waren in Barcelona bei der sogenannten Operation Pandora elf Menschen mit der gleichen Begründung verhaftet worden.

Die letzten der Verhafteten wurden am 30. Januar nach Zahlung einer Kaution von 3.000 Euro freigelassen. Nun hat der Staat erneut seine Absicht manifestiert, gegen selbstorganisierte Strukturen und Personen vorzugehen, die seine Existenz radikal in Frage stellen.

Die von Richter Eloy Velazco vom Gerichtshof Audiència Nacional angeordneten Durchsuchungen und Verhaftungen begannen am frühen Montag morgen mit einem großen Aufgebot des Nationalen Polizeikorps und Angaben des Innenministeriums zufolge in Zusammenarbeit mit der politischen Polizei. Schwerpunkt bildete diesmal Madrid, allein hier gab es Haftbefehle gegen neun Personen. Wie bereits im vergangenen Dezember in der katalanischen Metropole wurden auch bei dieser Polizeiaktion stundenlang selbstverwaltete Zentren wie »La Quimera« an der Plaza Lavapies und das »13–14« in Vallecas, einem Vorort von Madrid, durchsucht. Das im Mai 2013 gegründete und von verschiedenen Kollektiven getragene »La Quimera« hatte erst eine Woche zuvor seine Türen wieder geöffnet. Es beinhaltet Projekte wie eine Rechtsberatung, eine Bibliothek, verschiedene Werkstätten und organisiert Sprachkurse und kulturelle Aktivitäten.

Noch am Montag waren in verschiedenen Städten Kundgebungen und Solidaritätsdemonstrationen organisiert worden. Mehrere hundert Menschen trafen sich in Madrid auf der Plaza del Sol, wo die Polizei gegen die Demonstrierenden vorging. In Barcelona versammelten sich ebenfalls Hunderte Personen für die Freilassung der Festgenommenen. Weitere Solidaritätskundgebungen gab es in Girona, Palencia, Saragossa, Salamanca und Granada.

Das Vorgehen gegen Gruppen und Kollektive, die alternative Lebensmodelle verfolgen, ist Teil einer Repressionspolitik, die durch die Reform des Strafrechts und den Antiterrorismuspakt vom 26. März eine einschneidende Verschärfung erfuhr. Am vergangenen Donnerstag hatte der Kongress mit absoluter Mehrheit der konservativen Regierungspartei PP das Gesetz zur »Sicherheit der Bürger«, das sogenannte »Maulkorbgesetz«, bestätigt. Einen Monat zuvor hatte eine unabhängige internationale Expertengruppe der Vereinten Nationen die spanische Regierung aufgefordert, davon Abstand zu nehmen, da dieses fundamentale Rechte und Freiheiten verletze. Dem Gesetz nach können Flüchtlinge, die bis zu den auf afrikanischem Territorium gelegenen spanischen Exklaven Melilla und Ceuta vorgedrungen sind, direkt nach Grenzübertritt wieder zurückdeportiert werden. Alle sogenannten Gesetzesverstösse, die nicht unter den Straftatsbestand fallen, können mit Geldbußen bis zu 600.000 Euro belegt werden. Für nicht angemeldete Veranstaltungen oder das Nichtmitführen von Ausweispapieren ist eine Strafe von 600 Euro möglich. Bis zu 300.000 Euro können Ungehorsam oder Widerstand gegenüber der Staatsgewalt oder die Verweigerung der Auflösung einer Demonstration nach Aufforderung kosten. Die Teilnahme an Kundgebungen vor dem Kongress, Senat oder Parlament kann ebenfalls mit bis zu 600.000 Euro bestraft werden.
veröffentlicht in jw am 1_4_2015