Beschäftigte von Telefónica-Subunternehmen machen mit Spendenlauf auf schlechte Arbeitsbedingungen aufmerksam und rufen zu Vernetzung auf
Es war ein Protestlauf, der auf die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen aufmerksam machte, unter denen Beschäftigte in der Mobilfunkbranche leiden. Am Montag vor einer Woche traf der »Correescales« nach 800 Kilometern Strecke im Barcelona ein. Pünktlich zur Eröffnung des World Mobile Congress, der weltweit größten Mobilfunkmesse, die seit zehn Jahren in der katalanischen Metropole stattfindet. Initiiert wurde der Lauf von Beschäftigten der Subunternehmen des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefónica – Movistar.
Der Protest hatte fünf Tage zuvor mit Unterstützung diverser Gruppen aus der ökologischen, feministischen, antimilitaristischen, Erwerbslosen- und Jugendbewegung in Bilbao begonnen.
Der Name »Correescales« ist ein Wortspiel. Es heißt soviel wie Treppen steigen, wobei die Treppenstufen ein Symbol für die Gefahren am Arbeitsplatz sind, denen die Arbeiter ausgesetzt sind. Dauerstress und fehlendes Personal prägen die Zustände dort. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein dreimonatiger Kampf gegen die prekären Arbeitsbedingungen geführt. Die Forderungen waren: Arbeitsverträge, die würdiges Arbeiten erlauben; das Recht auf Krankengeld und Rente sowie eine Angleichung der Löhne an die der festangestellten Telefónica-Movistar-Mitarbeiter. Weiter verlangten die Protestierenden eine geregelte 40-Stunden-Woche und die Festlegung von bezahltem Mindesturlaub. Auch müsse der Konzern die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleisten. Die Unternehmen sollten garantieren, dass die Arbeitsmaterialien und die notwendigen Fahrzeuge zur Verfügung stehen.
Der Streik wurde nach Abschluss eines Abkommens beendet. Javier Marco, einer der Organisatoren von »Correescales«, nennt die Vereinbarung einen Minimalkonsens. Die Streikenden in Bilbao erhielten eine Festanstellung. Den Arbeitern in Barcelona und Madrid wurde eine 40-Stunden-Woche ohne Zwang zur Wochenendarbeit und Überstunden zugesagt, doch die Realität sieht anders aus. Der dreimonatige Verdienstausfall zwingt inzwischen viele zur Mehrarbeit. Die finanzielle Notlage bringt die ehemaligen Streikenden dazu, auf die hart erkämpften Errungenschaften zu verzichten. Viele Subunternehmen entließen fast die gesamte Belegschaft.
Die großen Gewerkschaften UGT und Comisiones Obreras (CCOO) handelten eine Weiterführung der Gespräche aus. Doch die Verhandlungen am runden Tisch sind seit August ins Stocken geraten. Zuvor war ein Verhandlungsteilnehmer entlassen worden war. Obwohl dieser auf Gewerkschaftsdruck zurückkehren konnte, kamen die Verhandlungen nicht voran. Von den großen Gewerkschaften enttäuscht, setzen die Organisatoren von »Correescales« inzwischen auf Selbstorganisation und Vernetzung. Der 800 Kilometer lange Lauf gegen Prekarität sollte ein Zeichen der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung sein. 80 Ortschaften dienten als Anlaufstellen. Dort wurden Volksküchen, Informationsveranstaltungen, Pressekonferenzen und Demonstrationen organisiert.
Die Läufer, die über 100 Stunden auf den Beinen waren, hielten bei der Mobilfunkmesse eine Pressekonferenz ab. Sie prangerten die ausbeuterischen Machenschaften der am Kongress beteiligten Konzerne an. Die Pressekonferenz musste unter starker Polizeipräsenz abgehalten werden. Am selben Abend fand eine Abschlussdemonstration statt. In Redebeiträgen wurden unter anderem die Privatisierungen im Gesundheitswesen kritisiert und das Recht auf kostenlose und qualitativ hochwertige Bildung gefordert. Des weiteren wurde vor diversen Banken wegen deren Verstrickung in Korruptionsskandale protestiert. Antikapitalistische Sprechchöre dominierten. Bei einem Stopp vor dem Sitz der Europäischen Gemeinschaft stand die inhumane Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt. Sichere Wege für alle Flüchtlinge, sowie das Recht auf Aufenthaltspapiere und Arbeitserlaubnis wurden gefordert.
Mit der Ankunft in Barcelona und der abendlichen Demonstration endete zwar der Protestlauf, nicht jedoch der Widerstand gegen Ausbeutungsverhältnisse und soziale Ungerechtigkeit. Das Projekt »Correescales« zur Vernetzung antikapitalistischer und sozialer Kämpfe entstand aus den Erfahrungen des letzten Streiks, den die Projektinitiatoren als einen der wichtigsten Arbeitskämpfe in Europa der letzten Zeit bezeichnen. Ziel ist es, der Vereinzelung sowie den prekären Verhältnissen und ihren Auswirkungen auf das alltägliche Leben ein kollektives soziales, politisches, kulturelles und gewerkschaftliches Miteinander entgegenzusetzen.
Unter dem Motto »Nie wieder allein« versuchen die »Stufenläufer«, ihren Solidaritätsfonds per Crowdfunding aufzustocken. Dabei sind über 122.000 Euro zusammengekommen. Mit einem Dokumentarfilm sollen zudem die konkreten Erfahrungen prekärer Lebens- und Arbeitsbedingungen sichtbar gemacht werden.
Im Netz: kurzlink.de/Correscales
veröffentlicht in jw am 1_3_2016