Unabhängigkeit statt Antikapitalismus

Katalonien: Linksbündnis einigt sich mit Regierungslager auf neuen Regionalpräsidenten
Carles Puigdemont ist neuer Präsident der katalanischen Regionalregierung. Der bisherige Bürgermeister von Girona wurde am Sonntag abend auch mit acht Stimmen der antikapitalistischen »Kandidatur für die Volkseinheit« (CUP) gewählt. Zuvor hatte sich die Linksallianz mit dem liberal geprägten Regierungsbündnis »Gemeinsam für das Ja« (Junts pel Sí, JxSí) am Samstag auf die Kandidatur Puigdemonts geeinigt. Bis dahin hatte noch alles auf ein Scheitern der Verhandlungen zwischen den Kräften hingedeutet, die sich beide für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien einsetzen.

Ohne die nun erfolgte Einigung wären Neuwahlen unausweichlich gewesen.

Bei den Wahlen vom 27. September hatten die Parteien des Unabhängigkeitslagers die Mehrheit der Sitze erreicht. Das Bündnis JxSí, dem unter anderem die konservativ-nationalistische Convergència Democràtica de Catalunya (CDC) und die linksrepublikanische ERC angehören, ist seither mit 62 von insgesamt 135 Abgeordneten stärkste Kraft im Regionalparlament. Die Linksallianz CUP hatte zehn Sitze gewonnen. In einer gemeinsamen Erklärung, die am 9. November im Parlament verabschiedet worden war, hielten JxSí und CUP fest, gemeinsam den Prozess zur Schaffung einer unabhängigen katalanischen Republik einleiten zu wollen.

Einer Einigung hatte dabei aber bisher die Frage nach dem Kandidaten für das Amt des Regionalpräsidenten im Weg gestanden. JxSí beharrte auf Artur Mas, dem bisherigen Chef der katalanischen Autonomieregierung. Die CUP war jedoch bereits mit der Ansage zu den Wahlen angetreten, Mas unter keinen Umständen zu unterstützen. Den Weg zur Republik wollten die Antikapitalisten nicht mit einem Präsidenten beschreiten, der Privatisierungen und Kürzungen zu verantworten hat und dessen Partei mit Korruptionsvorwürfen behaftet ist. Die CUP war zudem mit einem 39-Punkte-Aktionsplan gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit in die Verhandlungen gegangen. Darin forderte die Linksallianz die sofortige Einstellung von Zwangsräumungen, die Garantie von Mindesteinkommen und einen Stopp der Privatisierungen im Gesundheitswesen.

Nicht die Debatte über den Aktionsplan, sondern die Personaldiskussion um Mas führte jedoch in die Sackgasse. Für JxSí galt der bisherige Regionalpräsident als Integrationsfigur der verschiedenen Lager, alle Alternativvorschläge der CUP lehnte das Bündnis ab. In der Folge stieg der Druck auf die Antikapitalisten, die inzwischen eine heftige Debatte darüber führten, ob Mas nicht doch als Präsident mit zwei Stimmen der CUP wiedergewählt werden sollte. Bei einer Befragung von Mitgliedern und Sympathisanten wurde dies jedoch mehrheitlich abgelehnt. Basisorganisationen wie die Katalanische Nationalversammlung ANC forderten eine Übereinkunft, und die CUP kam in der Öffentlichkeit immer mehr unter Beschuss. Die Antikapitalisten organisierten noch einmal eine Abstimmung über die Unterstützung der Präsidentschaft von Mas.

Diese endete am 28. Dezember mit einer Stimmengleichheit. Schließlich erklärte der politische Rat der CUP, Mas nicht als Präsidenten zu bestätigen.

Daraufhin erklärte der Parlamentsgruppenvorsitzende Antonio Baños seinen Rücktritt. Durch die CUP war ein Riss gegangen. Obwohl die Verhandlungen in der Folge intensiv fortgesetzt wurden, war kein Ergebnis in Sicht. Neuwahlen strebte jedoch auch kein Lager der Unabhängigkeitsbewegung an. Als JxSí schließlich mit Puigdemont einen neuen Kandidaten für den Präsidentenposten vorschlug, kam es daher in letzter Minute doch noch zur Einigung. Mas erklärte daraufhin, er würde den Weg frei machen. Die CUP verpflichtete sich nicht nur zur Wahl von Puigdemont, sondern auch dazu, die Regierungsfähigkeit der JxSí zu garantieren. Zwei CUP-Abgeordnete sollen von nun an bei den Treffen der JxSí mitwirken und deren Entscheidungen mittragen. CUP-Sprecherin Eulàlia Reguant verkündete, dass mit dieser Regelung zukünftig sichergestellt werden soll, dass der Aufbau der unabhängigen Republik Katalonien voranschreitet. Ihren Oppositionsstatus hat die CUP damit faktisch verloren.

veröffentlicht in jw am 12_1_2016