Buch, Rose und Unabhängigkeit


Katalonien beharrt auf der Durchführung eines Referendums über die Abspaltung von Spanien

Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien beharrt darauf, in einem Referendum über eine Abspaltung der Re­gion von Spanien zu entscheiden. Während sich die Generalitat in Barcelona noch immer darum bemüht, durch Verhandlungen eine Einigung mit der Zentralregierung zu erreichen, kommt dazu aus Madrid nach wie vor ein kategorisches »Nein«. Den Druck auf die Administration von Ministerpräsident Mariano Rajoy soll nun eine Unterschriftenkampagne erhöhen, die noch bis zum 1. Mai läuft. So nutzten 5.000 Freiwillige die Diada de Sant Jordi am 23. April dafür, Unterstützungserklärungen für die Durchführung eines rechtlich verbindlichen Volksentscheids zu sammeln.

Sant Jordi, der Feiertag des heiligen Georg, wird in Katalonien als Fest der Kultur begangen. Traditionell schenken sich Paare an diesem Tag ein Buch und eine Rose. Während sich am vergangenen Sonntag also bereits in den frühen Morgenstunden die Straßen füllten und der Duft nach Rosen den sonst üblichen Smog verdrängte, erinnerte Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont an die jahrhundertelange Unterdrückung der katalanischen Sprache und Kultur, zum Beispiel während der Franco-Diktatur: »Wir feiern diesen Tag in Gedenken an eine Zeit, in der viele Verleger, Autoren und Leser nicht nur ein ökonomisches Risiko eingingen, wenn sie Schriften und Bücher auf katalanisch verlegten, schrieben oder kauften, sondern dies im Geheimen und in Angst vor Repressalien tun mussten.«

Die Katalanische Nationalversammlung (ANC), eine Bürgerbewegung für die Unabhängigkeit, nutzte die Diada, um auf öffentlichen Veranstaltungen mit Politikern und Schriftstellern das Thema der staatlichen Eigenständigkeit zu diskutieren. Am kommenden Samstag wird die ANC auf einer Generalversammlung ihre weitere Strategie und neue Kampagnen vorstellen. Unter anderem werden die Mitglieder darüber abstimmen, wie man auf eine befürchtete Auflösung des katalanischen Parlaments durch die spanische Zentralmacht reagieren solle. Der auf dem Tisch liegende Vorschlag lautet, dass dann die »Versammlung der Gewählten« (AECat) das Referendum auch gegen den Willen Madrids durchführen und gegebenenfalls einseitig die Unabhängigkeit erklären soll. Die AECat wurde im vergangenen Herbst gegründet. Einschreiben können sich für diesen Zusammenschluss die mehr als 9.000 Katalanen, die in ein öffentliches Amt gewählt wurden, also Abgeordnete, Bürgermeister, Stadträte und Senatoren.

Der spanische Staat reagiert auf die anhaltende Forderung nach Unabhängigkeit mit Repressionen gegen katalanische Politiker. Nachdem gegen den früheren katalanischen Regierungschef Artur Mas und zwei seiner Kabinettsmitglieder Bußgelder verhängt und ihnen das passive Wahlrecht entzogen wurde, verhängte der Oberste Gerichtshof Ende März auch ein einjähriges Verbot der Übernahme öffentlicher Ämter gegen den ehemaligen Minister, Regierungssprecher und Kongressabgeordneten Francesc Homs. Er hatte sich an der Organisation einer rechtlich unverbindlichen Volksbefragung im November 2014 beteiligt. Diese war anstelle des ursprünglich geplanten, dann aber von der spanischen Justiz verbotenen Unabhängigkeitsreferendums durchgeführt worden. Auch die ehemalige ANC-Präsidentin und derzeitige Parlamentsvorsitzende Carme Forcadell muss sich zusammen mit vier weiteren Mitgliedern des Präsidiums vor Gericht verantworten.

Das katalanische Regierungsbündnis Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja) bekräftigt trotzdem, an der Durchführung des Referendums festhalten zu wollen. Gabriela Serra, die für die linke Unabhängigkeitsbewegung CUP (Kandidatur der Volkseinheit) im katalanischen Parlament sitzt, kritisierte allerdings, dass die Regierung bisher weder das Datum noch die Fragestellung für die Volksabstimmung festgelegt hat.

veröffentlicht in jw am 27_4_2017