Am 11. September mobilisiert die katalanische Unabhängigkeitsbewegung wieder zur Großdemonstration
Am 11. September wird in Katalonien alljährlich an die Kapitulation Barcelonas am Ende des Spanischen Erbfolgekrieges 1714 erinnert. Das weitgehend selbstverwaltete Katalonien musste sich damals den Bourbonen geschlagen geben. Die seither als Nationalfeiertag begangene Diada Nacional de Catalunya, die unter den Diktaturen Primo de Riveras und Francos verboten war, hat vor allem seit 2012 durch das Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien eine besondere Bedeutung erhalten.
Auch in diesem Jahr mobilisieren die Katalanische Nationalversammlung (ANC) und die Kulturorganisation Ómnium Cultural unter dem Motto: »Weg frei für eine Katalanische Republik« zur Großdemonstration.
Die Dimensionen werden wohl ähnlich wie in den vergangenen Jahren sein, als rund zwei Millionen Teilnehmer gezählt wurden. Diesmal soll eine der Hauptverkehrsadern Barcelonas, die 7,1 Kilometer lange Avinguda Meridiana, vollständig mit Menschen gefüllt werden. Mehr als 50 Vereine sollen mit ihren traditionellen Menschentürmen, den Castells, das kulturelle Begleitprogramm bieten.
Die Straße wird in 135 Abschnitte aufgeteilt. Das entspricht der Zahl der Sitze in der katalanischen Volksvertretung, an der die Avinguda Meridiana endet. Wie schon in den vergangenen Jahren gab international bereits kleinere Kundgebungen von im Ausland lebenden Katalanen, die so ihre Unterstützung für die zentrale Botschaft der Demonstration am 11. September manifestierten. So versammelten sich Ende August auf dem Berliner Gendarmenmarkt rund 50 Menschen mit katalanischen Fahnen.
Die Erwartungen sind hochgeschraubt. ANC-Chef Jordi Sànchez sprach bereits von »der wichtigsten Diada der vergangenen Jahre« und hofft auf die größte Mobilisierung in der Geschichte Kataloniens. 2012 hatten sich rund eine Million Menschen an der ersten Großdemonstration unter dem Motto »Katalonien, ein neuer Staat Europas« beteiligt. Ein Jahr später bildeten Hundertausende eine 400 Kilometer lange Menschenkette. 2014 schließlich zählte die Polizei rund 1,8 Millionen Menschen, die sich auf den zusammenlaufenden Verkehrsachsen Diagonal und Gran Vía zu einem »V« vereinigten, das für »Voluntat« (Wille), »Votar« (wählen) und »Via« (Weg) stand. Das zielte damals auf das für den 9. November 2014 geplante Referendum zur Loslösung vom spanischen Staat ab. Dieses wurde jedoch nach einer Klage der spanischen Regierung durch das Verfassungsgericht verboten. An einer als Ersatz durchgeführten unverbindlichen Meinungsumfrage sprachen sich bei einer Beteiligung von 42 Prozent der Berechtigten mehr als 80 Prozent für die Unabhängigkeit aus.
Am 3. August setzte der katalanische Ministerpräsident Artur Mas vorgezogene Parlamentswahlen für den 27. September an, die nach seinem Willen »plebiszitären Charakter« haben sollen. Zwar brach seine konservativ-liberale Parteienallianz Convergència i Unió (CiU) an der Frage der Unabhängigkeit auseinander, doch Mas konnte neue Partner gewinnen. Seine Demokratische Konvergenz (CDC) und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) haben eine gemeinsame Liste unter dem Namen »Junts pel Sí« (Gemeinsam für das Ja) gebildet. Angeführt wird sie von Raül Romeva, einem langjährigen Europaabgeordneten der linksgrünen Iniciativa per Catalunya/Verds (ICV). Zudem kandidieren die frühere ANC-Präsidentin Carme Forcadell und die Vorsitzende von Ómnium Cultural, Muriel Casals. Mas, der selbst erst an vierter Stelle der Liste steht, soll trotzdem nach den Wahlen wieder Ministerpräsident werden. Zentrales Wahlversprechen ist aber, nach einem Wahlsieg innerhalb von 18 Monaten die Unabhängigkeit Kataloniens zu proklamieren. Symbolisch unterstützt auch der Trainer des FC Bayern München, Pep Guardiola, dieses Ziel mit seiner Kandidatur auf dem letzten Listenplatz. Die antikapitalistische Kandidatur für die Volkseinheit CUP, die für eine noch schnellere Abspaltung von Spanien eintritt, schloss sich dem Bündnis nicht an und formierte eine eigene Wahlallianz mit Gruppen aus der linken Unabhängigkeitsbewegung. Nach wie vor setzt sie auf sozialen und politischen Wandel von unten. Nach den jüngsten Umfrageergebnissen könnte sie im Parlament zum Zünglein an der Waage werden. Zwar zeigt sich die CUP zu Verhandlungen mit Junts pel Sí bereit, eine Wiederwahl von Artur Mas schließen die Linken jedoch aus.