Tod bei Polizeieinsatz

Senegalese stirbt bei Razzia im katalanischen Salou. Auseinandersetzungen mit Einsatzkräften
In den frühen Morgenstunden des vergangenen Dienstags starb Mor Sylla bei einem Polizeieinsatz der katalanischen Mossos d’Esquadra in Salou 120 Kilometer südlich von Barcelona. Im Rahmen einer Aktion gegen Straßenverkäufer waren die Beamten in eine Wohnung eingedrungen, in der Sylla mit fünf anderen Menschen lebte. Nach offiziellen Angaben sprang der Senegalese ohne Fremdeinwirkung vom Balkon des dritten Stockes.

Der Tod des 50jährigen Sylla, der seit 15 Jahren in Katalonien lebt und über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügt, führte in Salou zu Straßenschlachten und zu einer zehnstündigen Blockade der Bahnlinie zwischen Tarragona und Cambrils.

Um sechs Uhr hatte der Einsatz in der Touristenhochburg Salou begonnen. Unter richterlicher Anordnung wurden drei Wohnungen auf der Suche nach gefälschten Markenartikeln aufgebrochen und insgesamt zwölf Personen festgenommen.

Die Familie des Toten zweifelt die offizielle Version an und hat inzwischen Anzeige gegen die Polizei erstattet. Ibrahima Sylla, Bruder des Toten, erklärte gegenüber der Presse, es gebe einen Augenzeugen. Mit Sicherheit habe sich Mor nicht freiwillig aus dem dritten Stock in den Tod gestürzt. So habe ein Nachbar kurz vor Syllas Tod Schreie gehört, was nicht zur Version des freiwilligen Sprungs passen würde.

Kurz nachdem der Tod des Mannes bekanntgeworden war, versammelten sich rund 150 Senegalesen vor dem Haus. Die Demonstranten forderten die Aufklärung des Todesfalls und die sofortige Freilassung der Festgenommenen, darunter auch die fünf Mitbewohner von Sylla. Sie bewarfen die Polizei mit Steinen und Stühlen der umliegenden Bars. Die Einsatzkräfte knüppelten auf die Menge ein.

Gegen halb zwölf zogen die Demonstranten in Richtung Bahnlinie, wo sie über zehn Stunden lang die Gleise blockierten. Erst als alle Festgenommenen freigelassen wurden, beendeten die Blockierer ihre Aktion.

In Barcelona kamen am Dienstag abend rund 200 Menschen zu einer Kundgebung zusammen. Ein Redner machte die senegalesische Regierung und die diplomatische Vertretung des Landes für die prekäre Lebenssituation und die täglichen Übergriffe der Polizei mitverantwortlich. Dakar unternehme nichts, um die eigenen Staatsangehörigen zu schützen. Der Tod von Sylla sei nur die Spitze der polizeilichen Gewalt und Verfolgung. »Wir sind Arbeiter und Händler, keine Kriminellen«, betonte der Sprecher.

Daniela Ortiz von der antirassistischen Initiative Espacio del Inmigrante bezeichnete den Tod von Mor Sylla als einen von vielen. Es handele sich weder um einen Unfall noch um einen Einzelfall, vielmehr sei er eine Folge der rassistischen Flüchtlings- und Migrationspolitik. Polizeiliche Verfolgung und Gewalt gehörten zum Alltag vieler Migranten. Bislang seien dadurch 66.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken, 15 Flüchtlinge durch die Guardia Civil am Strand von Tarajal im Februar 2014 ermordet worden, ganz zu schweigen von den Migranten, die aufgrund fehlender medizinischer Versorgung in den Internierungslagern starben.

Der Bürgermeister von Salou, Pere Granados, hatte zur Besonnenheit und einem friedlichen Miteinander aufgerufen. In der Stadt habe es solche Ausschreitungen noch nie gegeben. Doch dieser Friede täuscht. Immer wieder kam es zu verbalen Anfeindungen durch Geschäftsinhaber, die ihren Umsatz durch den Verkauf billiger Imitate schwinden sehen. Auch Übergriffe der Polizei auf die Straßenhändler – bei denen neben den Waren auch persönliche Gegenstände beschlagnahmt werden – finden unter den Ladenbesitzern Zustimmung.
veröffentlicht in jw am 13_8_2015