Eine Million für Republik

 

Foto: Mela Theurer

An Kataloniens Nationalfeiertag demonstriert eine Million Menschen unter dem Motto für Demokratie, Frieden und Freiheit und fordert das Recht auf Unabhängigkeitsreferendum

Am katalanischen Nationalfeiertag, der diada demonstrierten am 11. September in Barcelona rund eine Million Menschen für das demokratische Recht auf Wahl und für die Unabhängigkeit. Der Beginn um 17.14 Uhr erinnert an den Erbfolgekrieg aus dem Jahr 1714, in dem Katalonien seine Unabhängigkeit verlor und mit dem Übergang an die spanische Krone fundamentale Rechte verlor. Zum Auftakt der Veranstaltung wurde in einer Schweigeminute den Opfern des Attentats vom 17. August gedacht, bei dem 16 Menschen ums Leben gekommen waren. Die diesjährige Großveranstaltung stand ganz unter dem Zeichen des für den 1. Oktober angesetzten Unabhängigkeitsreferendums. Laut Veranstalter und Stadtpolizei füllten 1 Million Menschen die Straßen der katalanischen Metropole und bildeten zwischen dem Passeig de Gracia und der Hauptverkehrsader Aragó ein Mosaik in Form eines Kreuzes, welches das Recht auf Abstimmung symbolisieren sollte. Von den Extremen des Mosaikes aus setzten sich Transparente zur Mitte hin in Bewegung, auf denen Frieden und Freiheit, sowie das Recht auf ein Referendum und Demokratie gefordert wurden. In festlicher und kämpferischer Stimmung wurde einmal mehr die Botschaft verkündet: “Ja zu einer bunten und vielfältigen katalanischen Republik.” Sprechchöre forderten die Unabhängigkeit und manifestierten entschieden: “Wir werden wählen!” Aufgerufen hatten die katalanische Nationalversammlung ANC und die Kulturorganisation Òmnium Cultural. Auch Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont hatte am Vorabend der Großveranstaltung zur massiven Teilnahme aufgefordert. Im Anschluss an die Demonstration erklärte er, seine Regierung sei nach wie vor zu Verhandlungen darüber bereit, in welchem Rahmen das Referendum durchgeführt werden könne, setzte allerdings keine großen Hoffnungen auf eine positive Antwort aus Madrid. Tatsächlich divergierten die Angaben der spanischen Regierung extrem mit den offiziellen Zahlen und den Bildern der diada. So sprach von deren Vertretung in Katalonien lediglich von 350.000 Teilnehmern und Ministerpräsident Rajoy von der geringsten Beteiligung seit Jahren. “Nur ein paar Radikale würden das illegale Referendum unterstützen, während sich die Mehrheit der Katalanen diesem widersetze” so der spanische Regierungschef. Inzwischen hat die katalanische Regierung alles für den Urnengang am 1. Oktober vorbereitet. Am 6. Oktober wurde nach einem 12-stündigen Sitzungsmarathon das Referendumsgesetz verabschiedet, welches die Modalitäten zur Durchführung des bindenden Volksentscheids regelt. Sollte dabei das „Ja“ für die Unabhängigkeit gewinnen, wird am Folgetag die unabhängige Republik Katalonien ausgerufen. Im gegenteiligen Fall, soll es sofortige Neuwahlen geben. Zudem soll es eine demokratische und reibungslose Wahl garantierten. Mit den 72 Stimmen des Regierungsbündnisses Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja) und der antikapitalistischen Kandidatur für Volkseinheit (CUP) erhielt das Gesetz die erforderliche Mehrheit. Während sich die Abgeordneten vom linken Bündnis Catalunya en Comú enthielten, verließen die Mitglieder der Oppositionsparteien PSC (Sozialdemokraten), Ciutadans (neoliberale „Bürger“) sowie der postfranquistischen Volkspartei PP das Plenum, nachdem ihr Versuch gescheitert war, die Abstimmung zu verhindern. Noch am selben Abend unterzeichnete der katalanische Ministerpräsident Puigdemont ein Dekret, das die Durchführung des Referendums am 1. Oktober vorsieht. Sowohl das Referendumsgesetz wie auch das Dekret wurden am darauffolgenden Tag vom Verfassungsgesetz vorläufig außer Kraft gesetzt. Am vergangenen Donnerstag wurde mit dem llei de la transorietat, ein Übergangsgesetz verabschiedet welches die Abspaltung vom spanischen Staat in juristischen und administrativen Fragen regelt. Das Verfassungsgericht hat sowohl das Übergangsgesetz wie auch die Rechtmässigkeit des neu geschaffenen katalanischen Finanzamtes vorläufig suspendiert. Das Übergangsgesetz soll nach dem 1. Oktober in Kraft treten, falls sich eine Mehrheit für die Trennung vom spanischen Staat entscheidet. Die spanische Regierung versucht das Referendum mit allen Mitteln zu verhindern und setzt dabei auf die Justiz in Gestalt des Verfassungsgerichtes, das die von der katalanischen Regierung geschaffenen gesetzlichen Grundlagen für das Referendum außer Kraft setzen soll. Gegen die Parlamentspräsidentin Forcadell wurden inzwischen drei Ermittlungsverfahren eingeleitet, u.a. weil sie eine Parlamentsdebatte über das Referendum zuließ.In der letzten Woche wurden eine Druckerei und die Wochenzeitung El Vallenc erfolglos von der Guárdia Civil durchsucht, mit der Absicht Wahlzettel zu beschlagnahmen. Mariano Rajoy erklärte letzte Woche, dass er gegenüber allen Spaniern verpflichtet sei, die Einheit des Landes aufrechtzuerhalten und unternahm den Versuch, die Rathäuser auf seine Seite zu ziehen: „Keine Gemeinde ist verpflichtet, ein Referendum abzuhalten. Die Bürgermeister müssen wissen, dass sie den Rückhalt des Staates haben, wenn sie sich gegen die Aufstellung der Urnen aussprechen.“ Unterdessen haben sich über 370 Gemeinden bereit erklärt, Wahllokale bereit zu stellen. Unklar ist derzeit noch die Haltung der Stadtregierung Barcelonas. Deren Bürgermeisterin Ada Colau erklärte auf einer Veranstaltung zum 11. September in Santa Coloma de Gramanet: “Wir werden alles tun, was in unserer Kraft steht, um die Wahl zu ermöglichen.” Allerdings hat sich ihre Regierung noch nicht offiziell für die Bereitstellung von Wahllokalen ausgesprochen. Auf einer Veranstaltung während der diada vor der Börse Barcelonas hatte der zweite Bürgermeister Barcelonas Jaume Asens bekräftigt: “Wir werden Urnen aufstellen!” Tatsächlich soll aber die Basis des Bündnisses um podemos, in den nächsten Tagen über die Unterstützung des Referendums entscheiden. Eine entscheidende Rolle bei der Durchführung der bindenden Volksabstimmung wird die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra spielen. Heute wurde der Leiter der Ermittlungen der Attentate am 17. und 18. August Josep Lluís Trapero gemeinsam mit Vertretern der der Guárdia Civil und der spanischen Nationalpolizei von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Bei dieser Sitzung ging es um die Verhinderung des Referendums und die Mossos wurden aufgefordert, Urnen und Wahlpapiere zu konfiszieren.

in veränderter Form erschienen in jw_13_9_2017