Generalstreik für politische Gefangene

Foto: Mela Theurer

In Katalonien werden im Rahmen eines Generalstreiks über Stunden Verkehrswege blockiert. Tausende demonstrieren gegen die Repression aus Madrid und für die Freilassung der zehn politischen Gefangenen

Ein Land steht still. In einer von den Komitees zur Verteidigung der Republik CDR koordinierten Aktion wurden bereits in den frühen Morgenstunden die Hauptverkehrsadern in Barcelona und anderen katalanischen Städten sowie Autobahnen und Schnellstraßen blockiert. In Girona besetzten hunderte von Demonstrierenden die Gleise des Hochgeschwindigkeitszuges AVE. Dies taten Studierende am späten Nachmittag im Hauptbahnhof von Barcelona nach, einer von den Universitäten für die Republik – Universitats per la República organisierten Aktion.  Obwohl die Beteiligung am Generalstreik nicht so massiv war wie am 3. Oktober, waren durch die Straßenblockaden wichtige Sektoren betroffen. Allein auf dem Großmarkt Mercabarna gingen die Umsätze um 70% zurück, obwohl nur vier der über 400 Stände

geschlossen hatten.

Der Gewerkschaftsverband Intersindical-CSC hatte zu diesem Generalstreik für die Freilassung der zehn politischen Gefangenen und gegen den Artikel 155 aufgerufen. Da in Spanien politisch motivierte Streiks verboten sind, richtete sich dieser offiziell gegen die Vereinfachung der Standortverlagerung, die als Antwort auf das Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums von 1. Oktober den Unternehmen die Flucht aus Katalonien erleichtert, sowie gegen die „Verarmung der Arbeiterklasse“ durch Billiglöhne. Vergeblich hatte das Arbeitsministerium ein Verbot des Streiks gefordert, das für die Streikenden gravierende Sanktionen zur Folge gehabt hätte.

Gefordert wurde die Freilassung der Vorsitzenden der Kulturorganisation Òmnium Cultural Jordi Cuixart und der Katalanischen Nationalversammlung Jordi Sànchez, die seit dem 16. Oktober in Untersuchungshaft sind. Ihnen wird wegen den Mobilierungen gegen Durchsuchungen katalanischer Institutionen, kurz vor dem Unabhängigkeitsreferendum Ende September, Aufruf zum Aufruhr vorgeworfen. Damit drohen ihnen bis zu 15 Jahren Haft. Ihr Antrag auf Freilassung wurde am Tag des Generalstreiks mit der Begründung abgelehnt, dass sich der ehemalige katalanische Präsident der Generalitat Carles Puigdemont sowie vier seiner MinisterInnen nach  Brüssel abgesetzt hatten. Somit bestünde erhöhte Fluchtgefahr für die beiden Inhaftierten, die es den katalanischen PolitikerInnen nachtun könnten, so die Erklärung.

Puigdemont und vier MinisterInnen hatten sich Anfang letzter Woche überraschend nach Belgien begeben, um damit ihr Misstrauen gegen die spanische Justiz zu bekunden. Acht ehemalige Minister folgten kurz danach der Vorladung nach Madrid. Mit ihrer Festnahme bestätigte sich die Befürchtung, dass die spanische Justiz ganz im Sinne der Zentralregierung handelt und auf Repression setzt. Dem Regierungskabinett wird in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum Rebellion, Veruntreuung von Steuergeldern und Aufruf zur Aufruhr vorgeworfen. Allein auf ersteres stehen bis zu 30 Jahren Haft.

Gegen die Inhaftierung und die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung, der die Aufhebung des Autonomiestatus beinhaltet, demonstrierten am heutigen Mittwoch Tausende. Neben den Blockaden und der Beteiligung am Streik füllte sich bereits am Mittag der Rathausplatz in Barcelona. Dezentrale Demonstrationen in katalanischen Städten und Gemeinden und eine Hauptkundgebung um 18.00 Uhr vor der Kathedrale Barcelonas auf der u.a. VertreterInnen der Universitäten für die Republik, der LehrerInnengewerkschaft USTEC und der Bauerngewerkschaft Unió de pagesos mit viel Applaus empfangen wurden, gestalteten den Streiktag. Während Ester Rocabayera, von Intersindical-CSC die Bestätigung der DemonstrantInnen gewiss war, wurde Camil Ros, Generalsekretär der Großgewerkschaft UGT, ausgepfiffen. Seine Gewerkschaft, hatte sich ebenfalls wie die CCOO vom Streik distanziert, aber dennoch zur Teilnahme an den Kundgebungen aufgerufen. „Generalstreik- Generalstreik“ skandierten die Demonstrierenden und ließen sich nicht von Ros‘ Versuch, die UGT als eine pluralistische Gewerkschaft zu verkaufen, deren Mitglieder zum Teil auch am Streik teilgenommen hätten, beeindrucken. Sie machten vielmehr klar: in diesem Konflikt gilt nur die klare Positionierung gegen den 155 und für die Freilassung der Gefangenen. Genau die forderten auch die Verteter der ANC und Òmnium Cultural. Augustí Alcoberro erklärte, dass dieser Kampf bis zum Ende geführt werden muss: „Für die Freiheit der politischen Gefangenen, für die Rückkehr der Exilierten aus Belgien und für eine definitive Erklärung der unabhängigen Republik Kataloniens.“