Im Eilschritt Richtung Referendum

Foto: Mela Theurer

Die Situation zwischen Spanien und Katalonien verschärft sich nach der Verabschiedung des Referendums- und Übergangsgesetzes im katalanischen Parlament letzter Woche, ersteres vom Verfassungsgericht  sofort außer Kraft gesetzt. Die paramilitärische Guárdia Civil dringt in eine Druckerei und in die Wochenzeitung El Vallenc und beschlagnahmt Material.

Am 6. Oktober wurde nach einem 12-stündigen Sitzungsmarathon im katalanischen Parlament das Referendumsgesetz verabschiedet. Dieses regelt die Modalitäten zur Durchführung des bindenden Volksentscheids. Gewinnt dabei das „Ja“ für die Unabhängigkeit soll die unabhängige Republik Katalonien ausgerufen werden. Für den gegenteiligen Fall, sind sofortige Neuwahlen vorgesehen. Es soll zudem Garantien schaffen, um eine demokratische und reibungslose Wahl durchzuführen. Mit den 72 Stimmen des Regierungsbündnisses Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja) und der antikapitalistischen Kandidatur für Volkseinheit (CUP) wurde das Gesetz am spätenMittwochabend verabschiedet. Die elf ParlamentarierInnen vom linken Bündnis Catalunya en Comú enthielten sich. Die Mitglieder der Oppositionsparteien PSC (Sozialdemokraten), Ciutadans (neoliberale „Bürger“) sowie der postfranquistischen Volkspartei PP hatten das Plenum verlassen, nachdem ihr Versuch gescheitert war, die Abstimmung zu verhindern. Noch am selben Abend unterzeichnete der katalanische Ministerpräsident Puigdemont das Dekret, das die Durchführung des Referendums am 1. Oktober vorsieht. Am darauffolgenden Tag kam es im Rahmen der Verabschiedung des  llei de la transorietat, dem Übergangsgesetz welches die Trennung vom spanischen Staat in juristischen und administrativen Fragen regelt, zu einem ähnlichen Szenarium. Die Oppositionsparteien versuchten zunächst die Abstimmung zu verhindern. In einer hitzigen und emotional geführten Debatte mussten sie sich letztendlich der parlamentarischen Mehrheit geschlagen geben, die das Gesetz mit leichten Änderungen verabschiedete. Dieses wird im nach dem 1. Oktober in Kraft treten, falls sich eine Mehrheit für die Trennung vom spanischen Staat entscheidet. Das Referendumsgesetz sowie das erlassene Dekret zur Abstimmung wurden vom Verfassungsgericht in einem Blitzverfahren vorläufig außer Kraft gesetzt.

Xavier García Albiol, Vorsitzender der PP Kataloniens sprach von einer „Radikalisierung, die alle anständigen Personen beschäme, die an die Freiheit glauben und von der größten Gefahr für Europa.

Miquel Iceta, Chef der katalanischen Sozialdemokraten PSC erklärte: „Mit dem Übergangsgesetz werde die spanische Verfassung und das Autonomiestatut liquidiert.“

Während der Vertreter der Vereinigten Linken IU Joan Coscubiela vor rund drei Jahren noch für das Selbststimmungsrecht eintrat, erklärte er am vergangenen Donnerstag, das Gesetz sei wertlos und warf der CUP und JxSi vor, sie würden in einer Fiktion leben und sprach von 48 schwarzen Stunden im Parlament. Standing ovations bekam er dafür auch von den rechten Oppositionsparteien. Mit einem offenen Brief antwortete der Vater des 1993 von Nazis ermordeten Guillem Agulló: „Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker wurde vom Kommunismus immer verteidigt, der Bewegung aus der auch du, Joan Coscubiela stammst (…) Mein Sohn musste in dieser Demokratie, in diesem Staat sein Leben lassen, weil er Antirassist, Antifaschist und Independentista war. Den Staat, dessen Werte ein Joan Coscubiela heute verteidigt.“

Die linke Formation Catalunya en Comú, die sich bei der Abstimmung enthalten hatte, rief unterdessen ihre Basis zwischen dem 12. und 14. September zur Abstimmung darüber auf, ob die Wahl am 1. Oktober unterstützt werden soll.

In der Kritik der Opposition stand vor allem das Schnellverfahren, in dem die beiden Gesetze verabschiedet wurden. Tatsächlich sind Gesetzesverabschiedungen im Eilgang im spanischen Staat keine Seltenheit. So wurden beispielsweise die Kompetenzen des Verfassungsgericht in einem ebensolchen erweitert, um gegen katalanische PolitikerInnen im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum vorgehen zu können. Dies war von der Venedig-Komission, einer Institution des Europarates die über Verfassungsangelegenheiten berät, scharf kritisiert worden. Im Rahmen dieses Gesetzes sind bisher der ehemalige Ministerpräsident Mas, sowie drei weitere einstige Regierungsmitglieder zu Geldstrafen und Amtsverboten verurteilt worden, weil sie im November 2014 ein nichtbindendes Unabhängigkeitsreferendum durchgeführt hatten. In diesem Zusammenhang sollen sie und weitere Funktionsträger bis zum 25. September eine Kaution in Höhe von 5,2 Millionen Euro für die angeblichen Kosten hinterlegen.

Im Fokus der juristischen Verfolgung steht derzeit die Vorsitzende des katalanischen Parlaments und ehemalige Präsidentin der Katalanischen Nationalversammlung Carme Forcadell. Gegen sie läuft bereits ein Verfahren, weil sie eine Parlamentsdebatte über das Referendum zugelassen hatte. Das Verfassungsgericht drohte ihr und weiteren Parlamentsmitgliedern Strafen an, falls sie weiterhin Vorbereitungen für das Referendum treffen würden. Forcadell hat inzwischen gegen alle Richter des Verfassungsgerichts  Befangenheitsanträge gestellt. Das online-portal vilaweb bewertet dies als einen brillianten Schachzug, mit der die Verfassungsrichter nicht gerechnet hatten und was ihre  Regierungsloyalität zum Wackeln bringen könnte. So titelte es gestern: „Der Krieg zwischen dem Verfassungsgericht und der Mariano Rajoy beginnt“.

Der spanische Ministerpräsident Rajoy erklärte unterdessen zum wiederholten Male , dass es unter seiner Präsidentschaft kein Referendum gäbe und er alles tun würde, um ein solches zu verhindern. Er sei allen Spaniern gegenüber verpflichtet, die Einheit des Landes aufrechtzuerhalten und unternahm den absurden Versuch, die Rathäuser auf seine Seite zu ziehen: „Keine Gemeinde ist verpflichtet, ein Referendum abzuhalten. Die Bürgermeister müssen wissen, dass sie den Rückhalt des Staates haben, wenn sie sich gegen die Aufstellung der Urnen aussprechen.“

Kataloniens Präsident zeigt sich dagegen unbeeidruckt. Carles Puigdemont bekräftigte, den demokratischen Prozess mit der Abstimmung am 1. Oktober weiterzuführen. Zählen kann er dabei bisher auf 670 Gemeinden, die Wahllokale bereitstellen wollen sowie auf 23.000 registrierte Freiwillige. Die Drohungen aus Madrid gegen Wahlhelfer fruchten nicht mehr. Auch Einschüchterungs- und Behinderungsversuche wie die dreitägige offensive Observation der Druckerei Indugraf in Constantí bei Tarragona durch die Guárdia Civil und die darauffolgende zweitägige Durchung produzieren Solidarität anstatt Angst. Ebenfalls gestern wurde die Wochenzeitung El Vallenc durchsucht von der Guárdia Civil durchsucht und deren Direktor vorgeladen, verweigerte jedoch die Aussage. Hunderte Demonstrierende unterstützten während und nach der Durchsuchung die MitarbeiterInnen der Zeitschrift. Die Beamten der paramilitärischen Guárdia Civil wurden ausgepfiffen und in einer spontanen Demonstration die Entschlossenheit zur Wahl für eine unabhängige Republik demonstriert. Bei beiden Durchsuchung geht es um die Sicherstellung von Wahlmaterial. So versucht der Staat mit allen Mitteln, das demokratische Recht auf Wahl zu verhindern. Der Journalistenverband sprach seine Solidarität mit El Vallenc aus und verurteilte die Durchsuchung der Redaktion scharf. Dies sei ein Angriff auf die Pressefreiheit, einem fundamentalen demokratischen Recht, lautete ein tuit von gestern.

Kataloniens Präsident Puigdemont rief inzwischen zur massiven Teilnahme für den morgigen Nationalfeiertag, die diada auf. Erwartet werden bis zu einer Million Menschen, die für für das demokratische Recht auf Wahl und für die Trennung vom spanischen Staat demonstrieren.