Korruptionskonstrukt

Katalonien: Razzia bei Regierungspartei. Skandal schwächt Unabhängigkeitsbewegung
Die spanische Justiz geht weiter gegen das katalanische Regierungslager vor. Am vergangenen Mittwoch wurden Rathäuser, Privatwohnungen und die Parteizentrale der konservativen Regierungspartei Convergència Democràtica de Catalunya (CDC) durchsucht. Insgesamt wurden bisher zwölf Verdächtige wegen Bestechung, Geldwäsche, Veruntreuung öffentlicher Gelder, illegaler Parteienfinanzierung und Wettbewerbsverzerrung festgenommen. Elf jedoch sind bereits wieder frei, lediglich CDC-Schatzmeister Andreu Viloca kam wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft.

Hintergrund der dritten Phase der von der Staatsanwaltschaft »Operación Petrum« getauften Ermittlungen sind mutmaßliche Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe von Aufträgen an Bauunternehmen und Entsorgungsfirmen.

Demnach soll die Regierung Unternehmen bevorzugt haben, die den Vorwürfen nach drei Prozent der Projektkosten an zwei CDC-Stiftungen gespendet haben. Insgesamt 10,4 Millionen Euro sollen so zwischen 2008 und 2013 an die Partei geflossen sein. Ähnliche Vorwürfe hatte der damalige sozialdemokratische Landeschef Kataloniens, Pasqual Maragall, bereits 2005 gegen die Partei des heutigen Regionalpräsidenten Artur Mas erhoben. Im Juni vergangenen Jahres wurden schließlich in der Kleinstadt Torredembarra nach einer Anzeige der Republikanischen Linken (ERC) Ermittlungen gegen das Bauunternehmen Teyca eingeleitet. Der dortige CDC-Bürgermeister soll von der Firma 1,43 Millionen Euro erhalten haben. Damit begann die erste Phase der »Operación Petrum«. Im Juli dieses Jahres wurde Teyca-Vertreter Jordi Sumarroca festgenommen. Am 28. August wurden bei der »Operación Petrum II« mehrere Rathäuser sowie das Büro des Schatzmeisters der CDC durchsucht. Zu Festnahmen kam es dabei nicht. Die Razzien vom Mittwoch läuteten nun die dritte Phase der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ein. Die CDC-Regierung wies bisher alle Vorwürfe von sich. Generalkoordinator Josep Rull erklärte, die Maßnahmen seien unverhältnismässig und zielten auf die Torpedierung des Unabhängigkeitsprozesses. Regierungschef Mas erklärte im Rahmen einer von ihm selbst beantragten Anhörung vor dem katalanischen Parlament am Freitag, dass alle Ausschreibungen öffentlich waren und durch zwei Kontrollinstanzen gehen mussten. Alle Verträge seien über eine Webseite der Generalitat, der katalonischen Selbstverwaltung, einsehbar. Gleichzeitig sprach er sich für Ermittlungen aus, um die Vorwürfe zu entkräften.

Mas wies darauf hin, dass die zweite Phase der »Operación Petrum« kurz vor den katalanischen Parlamentswahlen durchgeführt wurde, bei denen die für die Unabhängigkeit Kataloniens eintretenden Parteien eine knappe Mehrheit erhalten hatten, und die dritte nun kurz vor der Konstituierung des Parlaments. Besonderes Augenmerk richtete er darauf, dass letztere bereits am 15. September in der rechten Tageszeitung La Razon angekündigt worden war. Auch Regierungssprecher Francesc Homs erklärte in einem Interview mit Catalunya Radio, es handle sich um ein politisches Konstrukt. Gleichzeitig widersetzt sich die CDC-Spitze jedoch personellen Erneuerungen – und bringt den Unabhängigkeitsprozess damit selbst in Gefahr. Denn ihr Bündnis mit der ERC und den unabhängigen Kandidaten der Liste Junts pel Sí (Gemeinsam für Ja) verfügt nicht über die Mehrheit der Sitze im Parlament und ist daher auf die Unterstützung der antikapitalistischen Kandidatur für die Volkseinheit (CUP) angewiesen. Für letztere ist Mas als Symbol der Kürzungspolitik und Chef einer kontinuierlich unter Korruptionsverdacht stehenen Partei jedoch untragbar.
veröffentlicht in jw am 26_10_2015