Madrid sagt nein

Spanische Regierung verweigert Katalanen Volksabstimmung über Unabhängigkeit
Exakt 50 Tage hat Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy gebraucht, um dem katalanischen Regierungschef Artur Mas auf dessen Anfrage bezüglich der Abhaltung einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der autonomen Region zu antworten. Offenkundig wollte Rajoy die Aktivitäten rund um den katalanischen Nationalfeiertag am vergangenen Mittwoch abwarten. Deren Höhepunkt, die von 1,6 Millionen Katalanen gebildete 400 Kilometer lange Menschenkette, konnte nichts an der von vielen so erwarteten Antwort aus Madrid ändern.

Auf das Angebot von Mas, gemeinsam die Bedingungen für die Durchführung eines Referendums auszuhandeln, ging Rajoy gar nicht erst ein. Statt dessen erklärte er nur seine Bereitschaft zum »Dialog« und warnte, daß eine Loslösung Kataloniens vom spanischen Staat mit »hohen Kosten« verbunden sei.

Die katalanische Regierung hatte auf eine Antwort nach dem Vorbild des britischen Regierungschefs David Cameron gehofft, der auf eine ähnliche Anfrage Schottlands hin der Abhaltung eines Referendums über die Unabhängigkeit im kommenden Jahr zugestimmt hatte. Zwar soll der angebotene Dialog nicht verweigert werden, doch das Referendum steht für die Katalanen nicht zur Disposition. Wie die Regierungspartei CiU mit der zweitstärksten Kraft im Parlament, der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), vereinbart hat, sollen noch in diesem Jahr die genaue Fragestellung und das Datum des Referendums festgelegt werden. Die von Rajoy vorgeschützten juristischen Bedenken gegen die Abstimmung teilt die Regierung nicht. Bei der nächsten Plenarsitzung des Parlaments Ende September will sie gemeinsam mit allen dort vertretenen Parteien zu einem Beschluß über die Abhaltung des Referendums im kommenden Jahr gelangen.

Der Vorsitzende der spanischen sozialdemokratischen PSOE, Alfredo Pérez Rubalcaba, lehnt im Unterschied zum Chef des katalanischen Parteiablegers PSC, Pere Navarro, eine Volksbefragung zur Unabhängigkeit ab. Beim traditionellen »Fest der Rosen« der PSC sprach er sich am Wochenende dafür aus, durch eine Verfassungsänderung den Weg zu einem föderativen Staatsaufbau nach deutschem Vorbild freizumachen.

ERC-Generalsekretärin Marta Rovira versicherte hingegen, daß 2014 die Urnen für den Volksentscheid bereitstehen werden. Daran könne auch ein Dialog mit Madrid nichts ändern, denn dieser ende »immer in einem Monolog des Verfassungsgerichts«. Damit spielte sie auf die Auseinandersetzungen um die Reform des katalanischen Autonomiestatuts an, das 2006 sowohl vom katalanischen als auch vom spanischen Parlament verabschiedet und von den Katalanen in einem Referendum bestätigt worden war. 2010 war es jedoch nach einer Klage der in Madrid regiernden konservativen PP durch die obersten Richter gekippt worden.

Die linke Kandidatur der Volkseinheit (CUP) sieht keine Chance, legal ein Referendum durchzuführen. Der Weg zur Unabhängigkeit sei nur durch zivilen und institutionellen Ungehorsam zu erreichen, da der Rahmen der spanischen Verfassung, der noch vom Franco-Regime bestimmt wurde, dazu keine Möglichkeit biete.

Unterdessen hat Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo die Botschafter Lettlands und Litauens einbestellt, um von diesen Rechenschaft zu fordern. Ihre Regierungen hatten sich am Wochenende für das Recht Kataloniens auf Selbstbestimmung ausgesprochen und eine Anerkennung als unabhängigen Staat nicht ausgeschlossen.

Die Basisbewegungen ihrerseits haben weitere Aktionen angekündigt. Die parteiunabhängige Katalanische Nationalversammlung (ANC), die die Menschenkette organisiert hatte, verlangte von der Generalitat, der katalanischen Selbstverwaltung, ein Gesetz, das die rechtlichen Rahmenbedingungen des Referendums festlegt, sowie eine Entscheidung über die Fragestellung und das Datum. Sollte das nicht geschehen, werde man wieder auf die Straße gehen.
veröffentlicht in jw am 17.09_2013