Madrider Offensive gegen Referendum

Foto: Mela Theurer

Katalanische Polizei wird spanischem Innenministerium unterstellt,  Die Generalitat will dagegen Widerspruch einlegen und kann mit der Loyalität der Mossos d’Esquadra rechnen. Veranstalter der friedlichen Massenkundgebung gegen die Razzien vom vergangenen Mittwoch droht wegen Anstiftung zur Aufruhr bis zu 15 Jahre Haft. Massenproteste gehen weiter. Studierende besetzen Unigebäude und sind bereit zu Generalstreik.

Mit massiven Mobilisierungen antwortet die katalanische Bevölkerung auf Offensive mit der der spanische Staat das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober verhindern will. Nach den Durchsuchungen von neun Ministerien und Institutionen der katalanischen Regierung und der Verhaftung von 15 Personen in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum. Nach zahlreichen Demonstrationen in den Universitätsstädten Kataloniens besetzten gestern Studierende das historische Gebäude der Universität Barcelonas. 300 StudentInnen verbrachten dort die Nacht und werden laut dem Sprecher der Universitaris per la Independència Jordi Vives die Mobilisierungen solange wie notwendig aufrechterhalten. Seit Samstag Vormittag finden im besetzten Gebäude Versammlungen, Workshops, Debatten und Kulturprogramm statt.  Die Studierenden erklärten sich zu einem Generalstreik unter dem Motto: „Raus aus den Vorlesungen, die Straßen gehören uns!“ bereit, um gegen die Polizeipräsenz und für die Durchführung des Referendums am 1. Oktober zu demonstrieren. Unterdessen gehen die Wahlveranstaltungen in ganz Katalonien weiter. Auf einem miting in Barcelonas Stadtteil Poble Sec, erklärte die CUP-Abgeordnete Gabriela Serra: „Was auch geschieht, wir werden am 1. Oktober wählen. Wenn sie unsere Wahllokale schließen, wählen wir davor. Wenn sie die Urnen und Stimmzettel konfiszieren, bringen wir sie von zu Hause mit. Dieser Prozess ist nicht mehr aufzuhalten und wird gewinnen weil er von der Basis getragen wird!“ Auch Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont ist von der Abhaltung der Wahlen überzeugt. Auf die Erklärung des Regierungschefs Mariano Rajoys, das Referendum könne nun gar nicht mehr stattfinden, weil es keine Infrastruktur mehr gäbe, antwortete Puigdemont in einem tuit mit der Veröffentlichung einer Webseite, auf der die  Wahllokale konsultiert werden können. Nach der Schließung diese Webseite auf Antrag der Staatsanwaltschaft, tuitete der katalanische Präsident heute einen neuen link. Die Seite ist bis jetzt noch abrufbar. In Osona demonstrierten am heutigen Vormittag hunderte von Traktoren gegen die erhöhte Polizeipräsenz. Seit Mittwoch wurden mindestens 3000 Polizisten der Nationalpolizei und der Guardía Civil vorübergehend in Katalonien stationiert. Diese sind unter anderem auf drei Schiffen, zwei im Hafen von Barcelona, eins in Tarragona untergebracht. Die Hafenarbeiter haben haben bisher deren Abfertigung verweigert. Am gestrigen Freitag waren die letzten sechs der insgesamt 15 Festgenommenen freigelassen, nachdem sie zwei Nächte in Gewahrsam der Guardia Civil verbracht hatten. Alle hatten die Aussage verweigert und wurden unter Auflagen entlassen. Ihnen wird Veruntreung öffentlicher Gelder, Ungehorsam und Amtsmißbrauch vorgeworfen. Tausende hatten bis zu deren Freilassung vor dem Obersten Gerichtshof Kataloniens (TSJC) demonstriert und dort die Nacht verbracht. Vor der Ciutat de la Justicia, wo die Festgenommen dem Haftrichter vorgeführt worden waren, kamen ebenfalls Tausende zusammen und empfingen die Freigelassenen unter Applaus und Rufen nach Unabhängigkeit. Inzwischen geht die Kriminaliserung gegen Repräsentanten der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung weiter. Jordi Cuixart von der Kulturorganisation Òmnium Cultural und Jordi Sánchez, Präsident der Katalanischen Nationalversammlung ANC wird Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen. Während der weitgehend friedlich verlaufenen Massenkundgebung vor dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen waren drei Fahrzeuge der Guardia Civil beschädigt worden. Als Veranstalter droht den beiden eine Haftstrafe von 10 – 15 Jahren. In einem Fernsehinterview des katalanischen Senders TV3 erklärten die sie, die Anklageschrift sei voller Fehler und Unwahrheiten und einmal mehr werde evident, dass die Staatsgewalten von Regierung und Justiz im spanischen Staat nicht unabhängig voneinander funktionieren. Unterdessen spitzt sich die Situation immer weiter zu. Während Madrid bereits am Mittwoch die Konten der katalanischen Generalitat sperrte, soll jetzt auch die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra direkt dem spanischen Innenministerium überstellt werden. Unter dem Vorwand zur besseren Koordination will Madrid die Kontrolle über die katalanische Polizei übernehmen. Deren Rolle kann entscheidend sein, wenn es am 1. Oktober zur Abstimmung kommen sollte. Bisher hatten die Mossos d’Esquadra auf Deeskalation gesetzt und lediglich das Recht zur Einschreitung reklamiert, wenn es um Selbstverteidigung oder die Sicherheit Dritter ging. Die spanische Regierung will nun mit der Anwendung des Gesetzes 86 die katalanische Polizei unter ihre Führung und Kontrolle bringen. Kataloniens Innenminister Forn erklärte in einer Pressekonferenz am heutigen Nachmittag, juristische Schritte gegen diesen Versuch einzuleiten: „Wir akzeptieren die Übernahme der Mossos durch das Innenministerium in keinster Weise“, so Forn. Josep Llúis Trapero, Major der Mossos d’Esquadra erklärte ebenfalls, diese Anordnung zu akzeptieren und rief die katalanische Polizei dazu auf, weiterhin den Anordnungen des katalanischen Innenministeriums Folge zu leisten.