Mehr Farbe geht nicht

Foto: Mela Theurer

Bunter Protest gegen Polizeigewalt: Katalonien begeht Jahrestag des Referendums über Unabhängigkeit von Spanien



In angespannter Stimmung begeht Katalonien heute den ersten Jahrestag des Referendums vom 1. Oktober 2017. Bei dieser von der Zentralregierung in Madrid verbotenen Volksabstimmung sprachen sich mehr als zwei Millionen Menschen für die Bildung einer von Spanien unabhängigen Republik aus. Um das Referendum zu verhindern, hatte die Regierung Tausende Beamte der Nationalpolizei und der Guardia Civil nach Katalonien entsandt. Diese gingen teilweise mit brutaler Gewalt gegen Wähler vor, die sich an der Abstimmung beteiligen wollten. 1.066 Menschen wurden nach offiziellen Angaben durch die Polizei verletzt, ein Mann verlor ein Auge. Allein in Barcelona laufen noch Ermittlungsverfahren gegen 24 Beamte. Trotz der

Repression beteiligten sich gut 40 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung. Von diesen votierten mehr als 90 Prozent für die Unabhängigkeit.

Bereits am Sonnabend haben in Barcelona Tausende Menschen gegen eine Kundgebung der Polizeigewerkschaft Jusapol protestiert. Rund 6.000 Menschen – so die Schätzung der Stadtpolizei Guàrdia Urbana – versammelten sich in den frühen Morgenstunden auf der Plaça de Sant Jaume, dem Platz zwischen dem Rathaus von Barcelona und dem Sitz der Generalitat de Catalunya, der katalanischen Regionalregierung. Dort hatte die Kundgebung der Polizisten ursprünglich stattfinden sollen, weshalb Innenminister Miquel Buch am vergangenen Mittwoch ein Zeltlager räumen ließ, das am 11. September – dem katalanischen Nationalfeiertag – auf dem Platz errichtet worden war. Die Aktivisten hatten Druck auf die Politiker ausüben wollen, das Ergebnis des Referendums umzusetzen. Nach der Räumung setzten sie ihre Aktion als Sitzstreik fort und riefen zum Protest gegen die Jusapol-Demonstration auf. Unterstützt wurden sie dabei von den wichtigsten Organisationen der Unabhängigkeitsbewegung, so der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), den »Komitees zur Verteidigung der Republik« (CDR) und der antikapitalistischen Partei »Kandidatur der Volkseinheit« (CUP).

Dem Aufruf der Jusapol folgten am Samstag etwa 3.000 Angehörige der paramilitärischen Guardia Civil und der Nationalpolizei. Offiziell wollten sie für eine Angleichung ihrer Gehälter an die Einkommen ihrer katalanischen Kollegen demonstrieren. Doch bereits das Demoplakat und Aufrufe im Internet machten deutlich, dass es vor allem darum ging, den Einsatz gegen das Referendum vom 1. Oktober 2017 zu feiern und für die »Einheit Spaniens« zu werben.

Nachdem klar war, dass auf der Plaça de Sant Jaume kein Durchkommen sein würde, versammelte sich die Jusapol auf der Via Laietana und marschierte von dort zur zentral gelegenen Plaça de Catalunya. Ein Zusammentreffen mit den Gegendemonstranten verhinderte die katalanische Regionalpolizei Mossos d’Esquadra mit einer regelrechten Prügelorgie. 24 Menschen wurden verletzt, unter ihnen ein Fotograf der linken Zeitschrift Directa. Als Antwort flogen Farbbeutel,  im Stil eines »Holi-Festivals« – in Indien ein hinduistisches Frühlingsfest, das als Happening auch in Europa populär wird – wurden die Mossos bunt eingefärbt. Weitere Zusammenstöße verhinderten Feuerwehrleute, die sich zwischen Polizisten und Demonstranten stellten.

Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra kündigte eine Untersuchung des Polizeieinsatzes an. Eine von der CUP geforderte Absetzung von Innenminister Buch schloss er allerdings aus.

veröffentlicht in jw am 1_10_2018