Platz frei für Ehrung von Repressionskräften

Foto: Mela Theurer

Drei Tage vor einer Kundgebung der Polzeigewerkschaft Jusapol auf der Plaça Sant Jaume in Barcelona wurde das dort installierte Camp für eine freie katalanische Republik geräumt


Nur einen Tag nach der Reinstallierung des Camps für eine freie katalanische Republik auf dem Rathausplatz in Barcelona, wurde dieses am gestrigen Mittwoch Vormittag von der katalanischen Sondereinheit BRIMO geräumt. Noch am selben Abend versammelten sich auf dem zentralen Platz Sant Jaume ca. 150 Personen zu einer Solidaritätskundgebung, um gegen die gewaltsame Räumung, die die Beschlagnahmung und Zerstörung persönlicher Gegenstände sowie die erkennungsdienstliche Behandlung der Campierenden und UnterstützerInnen implizierte, zu protestieren. Seit dem 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, an dem auch dieses Jahr wieder rund 1 Million Menschen für eine unabhängige katalanische Republik demonstrierte, ist der Platz zwischen Rathaus und Regierungsgebäude (Generalitat) zu einem Zeltcamp geworden. Unter dem Slogan: „Wir haben gewählt – wir haben gewonnen – Republik jetzt“ haben dort Dutzende  ihre Zelte aufgestellt. Die Bürgerbewegung Katalanische Nationalversammlung ANC unterstützt diese Aktion, deren Ziel es ist, Druck auf die Politik zu entfalten, um das Mandat des ersten Oktober vergangenen Jahres wahrzunehmen. Damals hatten knapp 2,3 Millionen Menschen, was 42,5 Prozent der Wahlberechtigten entsprach, über die Frage der Unabhängigkeit in einem von der spanischen Zentralregierung als illegal erklärten Referendum abgestimmt. Rund zwei Millionen (90,1 Prozent) votierten dabei für die Eigenständigkeit, obwohl die spanische Polizei und die paramilitärische Guardia Civil massivst versuchten, die Abstimmung zu verhindern. Bereits in den Morgenstunden kreisten Bilder und Videos indiskriminierter Gewalt gegen unbewaffnete Menschen in Sitzblockaden und Wahlschlangen in den sozialen Medien. Durch den Einsatz von in Katalonien eigentlich verbotenen Gummigeschossen, verlor ein Mann am 1. Oktober ein Auge.  Vor zwei Tagen veröffentlichte die spanische online-Zeitung el diario neue Bilder der Gewaltexzesse, diesmal stammten sie aus den Kameras der Polizeikräfte. Der ermittelnde Richter im Zusammenhang mit der Polizeigewalt vom 1. Oktober, forderte inzwischen die Polizeikorps auf, ihr gesamtes Material an das Gericht auszuhändigen. Allein in Barcelona laufen gegen 24 Polizisten Ermittlungsverfahren.

Nun wollen genau diese Polizeikräfte, die spanische Policia Nacional und die Guardia Civil am kommenden Samstag auf der Plaça Sant Jaume eine Kundgebung abhalten. Vertreten durch die Gewerkschaft Jusapol fordern sie offiziell eine Angleichung des Lohnes an die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra. Die eigentliche Intention des Protestes wurde allerdings durch Veröffentlichungen in den sozialen Medien entlarvt. Eine starke Demonstration gegen die Unabhängigkeitsbewegung soll es werden, ebenso eine selbstbeweihräuchernde Ehrung für ihren Einsatz am 1. Oktober. Weder die Wahl des Ortes noch des Datums sind dabei zufällig.

Natürlich stören da die Zelte auf dem Platz. Eine Konfrontation wäre vorprogrammiert und unter dem Vorwand der Terrorismusstufe 4 und dass es keine festen Installationen auf öffentlichen Plätzen geben dürfe, ordnete der katalanische Innenminister Buch letztendlich die Räumung an. Stimmen aus dem Rathaus hatten sich noch für Verhandlungen und eine friedliche Lösung ausgeprochen, obwohl auch sie für die Auflösung des Camps votierten. Dass die Camp-Protestierenden zum Dialog bereit waren, hatte sich bereits vorab der Feierlichkeiten des Stadtfestes Barcelonas, der Mercè, gezeigt. Zu diesen Aktivitäten räumten die Campierenden freiwillig den Platz, lediglich ein Informationsstand blieb. Dass sie entgegen ihrer Gesprächsbereitschaft und einer getroffenen Vereinbarung geräumt wurden, ist auch dem Druck des rechten Lagers, vertreten durch die neoliberalen, spanischtreuen und mit Kontakten zur ultrarechten Bewegung, Ciutadanos (Bürger) und in weitaus abgeschwächter Form der postfranquistischen Volkspartei PP geschuldet, der sowohl auf der katalanischen Regierung wie der ihr unterstehenden Polizei, Mossos d’Esquadra lastet. Doch auch die Uneinigkeit der Unabhängigkeitsparteien im Parlament schwächt die Bewegung, sorgt für eine Stagnation des Prozesses und politische Verfahrenheit. „Republik jetzt“ lautet weiterhin die Botschaft der Basis, die sich derzeit lediglich die antikapitalistische Kandiatur für die Volkseinheit, CUP, auf die Fahnen schreibt. Die beiden stärksten Unabhängigkeitsparteien Junts x Sí und ERC setzen vielmehr auf Verhandlungen mit der seit Juni amtierenden und von Beginn an krisengeschüttelten sozialdemokratischen Regierung PSOE unter Pedro Sánchez.

Unter diesen Vorzeichen forderten die Demonstrierenden am Mittwoch den Rücktritt des katalanischen Innenministers Buch und riefen zu weiteren Aktionen gegen die Räumung auf. Alex, einer der Camp-Sprecher erklärte dazu in einem kurzen Interview: „Das Camp sind wir: die Menschen. Das ist was zählt. Die Polizei hat unsere Zelte und persönlichen Gegenstände mitgenommen, angeblich können wir alles morgen dort wieder abholen. Was jedoch mit der Konfiszierung beabsichtigt wird, ist die Konstruktion eines Straftatbestands. Sei es Drogenbesitz, Terrorismus, Rebellion. Sie werden dies nicht schaffen. Auch wenn sie unsere Zelte und Habseligkeiten zerstören oder in einem Müllwagen abtransportieren, bleiben wir weiterhin präsent. Solange, bis wir das, was wir in dem Referendum vom 1. Oktober letzten Jahres erkämpft haben, erreichen werden. Es war eine demokratische Wahl, repressiv unterdrückt und dennoch gewonnen, Das ist das Mandat, das wir verteidigen. Und davon hält uns auch diese Räumung entgegen Zusagen der katalanischen Polizei nicht ab.“ Viele ehemalige CamperInnen und Solidarische brachten Stühle, Schlafsäcke und alles Notwendige mit, um nun ein Sitzcamp einzurichten. Sprechchöre erinnerten an die Exilierten und politischen Gefangenen und forderten deren Freiheit. „Buch-Rücktritt“, war jedoch neben „Aufbau der sozialen Republik von unten“ einer der stärksten Slogans der Kundgebung.

Inzwischen wurden alle angemeldeten Protestaktionen auf der Plaça Sant Jaume am Samstag verboten, die den Ablauf der  Polizeigewerkschaftkundgebung gefährden könnten. Ab 7 Uhr ist dort dennoch  eine Veranstaltung geplant. Auf Wahlzetteln sollen Gedichte und Geschichten gelesen werden. Die sozialistische Jugendbewegung für die Unabhängigkeit „Arran“ ruft im Anschluss zu einem bunten „Holifestival“ um 11.30 Uhr auf.