Rajoy lässt prügeln

Spanien: Zehntausende versuchen in Madrid, das Parlamentsgebäude zu umzingeln
Tausende Menschen haben am Dienstag in Madrid mehrere Stunden lang das Gebäude des spanischen Kongresses umzingelt, um damit gegen die Kürzungspolitik der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy zu protestieren. Dazu aufgerufen hatte die Bewegung der »Empörten«, die durch verschiedene Bündnisse und Organisationen, wie die »Koordination 25. September« und die Plattform »Aufrecht stehen« repräsentiert wurde. Während die Behörden von 6000 Teilnehmern sprachen, zählten die Veranstalter Zehntausende. Das Netzwerk Attac sprach von bis zu 100000 Menschen, die an diesem Tag in Madrid auf den Beinen waren. Diese waren vor allem über soziale Netzwerke im Internet nach Madrid mobilisiert worden.

Ursprünglich sollte die Blockade bis zum Rücktritt der Regierung aufrechterhalten werden. Gefordert wurde zudem der Amtsverzicht aller Abgeordneten, um durch eine Auflösung des Kongresses den Weg für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung hin zu einer wirklichen Demokratie frei zu machen. 1400 Polizisten hatten jedoch schon am Tag zuvor damit begonnen, den Kongreß abzuschirmen. Madrids Regierungsvertreterin Cristina Cifuentes verurteilte bereits im Vorfeld die geplante Aktion als »Straftat« und verglich sie mit einem Staatsstreich.

Trotz der vorweggenommenen Kriminalisierung kamen Tausende Menschen nach Madrid, um in einem Sternmarsch von drei Plätzen ausgehend auf das Parlamentsgebäude zuzugehen und dessen Zugänge zu blockieren. Die Polizei verhinderte das mit einem brutalen Einsatz gegen die Demonstranten. Mit Schlagstöcken und Gummigeschossen ging die Polizei immer wieder gegen die Versammelten vor, so daß selbst die regierungsnahe Tageszeitung El Mundo in ihrer Mittwochausgabe von »unverhältnismäßiger Gewalt« durch die Sicherheitskräfte berichtete. Auf im Internet verbreiteten Videoaufnahmen ist zu sehen, wie einzelne Demonstranten durch mehrere Polizisten umringt und brutal zusammengeschlagen werden. Die Bilanz des Tages: 64 Verletzte, darunter nach Medienangaben auch 24 Polizisten, sowie 38 Festnahmen. Die Demonstranten reagierten auf die Übergriffe mit Sprechchören wie »Weniger Polizei – mehr Bildung«. »Ihr vertretet uns nicht«, »Hände hoch, das ist ein Überfall« und »Gegen den Kapitalismus« waren weitere Slogans der Demonstration.

… und die spanische Realität
… und die spanische Realität
Foto: Reuters
Während die parlamentarische Opposition aus sozialdemokratischer PSOE und Vereinigter Linker (IU) gegen die Polizeigewalt protestierte, gratulierte die Regierung, vertreten durch Cristina Cifuentes, der Polizei zu ihrem »gelungenen« Einsatz und sprach von einer »angemessenen« Reaktion. Die Vereinigte Polizeigewerkschaft (SUP) erklärte sogar, die Beamten hätten am Dienstag »die Demokratie verteidigt«.

Im Kongreß selbst waren zu der regulären Plenartagung am Dienstag lediglich 50 der 350 Abgeordneten erschienen. Parlamentarier der IU, die im Kongreß ihre Untersützung für den Protest ausgedrückt hatten, versuchten anschließend, sich in die Blockade einzureihen.

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Zwar nicht das Parlament … von Demonstranten umzingelte Polizeifahrzeuge am Dienstag in Madrid
Foto: Reuters
Die Plattform »Aufrecht stehen« kommentierte in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung die Ereignisse mit den Worten, der 25. September markiere ein »Davor und danach« der Bürgerproteste. Der Tag sei das Startsignal für eine organisierte Rebellion gewesen, die sich nicht nur »gegen die vom Regime durchgesetzten wirtschaftlichen Kürzungen« richte, sondern auch gegen die Repression.

Auch in anderen Städten wie Granada, Sevilla und Barcelona kam es zu Belagerungsaktionen der Parlamente, an denen jeweils mehrere Hundert Personen teilnahmen. In Katalonien hatten »Wirkliche Demokratie Jetzt« und andere Gruppen zu der Blockade aufgerufen, und forderten mehr Mitbestimmung und eine echte Demokratie. Während sich vor dem Parlamentsgebäude in Barcelona um die 300 Personen versammelten, absolvierten im Inneren die Abgeordneten den ersten Tag ihrer Generaldebatte. Der Präsident der Generalitat, Artur Mas, kündigte in diesem Rahmen Neuwahlen für den 25. November an und sprach in seiner Rede davon, den Weg freimachen zu wollen, damit die katalanische Bevölkerung uneingeschränkt und selbstbestimmt über ihre Zukunft und die Unabhängigkeit vom spanischen Staat bestimmen könne.
veröffentlicht am 27.9_2012