Rajoy – und tschüss

Foto: Mela Theurer

Nach Misstrauensvotum gegen Mariano Rajoy wird Pedro Sánchez neuer Ministerpräsident. Ciudadanos stellen sich auf die Seite der Korruption

Heute Mittag war es soweit. Das vom sozialdemokratischen Oppositionschef Pedro Sánchez (PSOE) initiierte Misstrauensvotum brachte die PP-Regierung und ihren Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zu Fall. Mit 180 zu  169 Stimmen bei einer Enthaltung votierte im spanischen Kongress eine knappe Mehrheit für das Aus der korrupten konservativen Regierung. Gestern bereits zum Rücktritt aufgefordert, war Mariano Rajoy der Debatte entgangen und hatte sich acht Stunden lang in einem Luxusrestaurant verschanzt, um die heutige Abstimmung abzuwarten. Falls er tatsächlich Hoffnungen hatte, dass die baskische PNV, die noch vor einer Woche seinen Haushaltsplänen zustimmte, ihre Meinung ändern und ihn auch jetzt unterstützen würde, wurde er heute bitter enttäuscht. Die PSOE konnte auf das Linksbündnis Unidos Podemos sowie die Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien PNV, EH Bildu, PDECat und ERC zählen. Die neoliberalen Ciudadanos C’s, die die PP-Minderheitsregierung bisher unterstützte, stimmte für Rajoy.

Anlass für den Antrag waren die Urteile im Korruptionsfall „Gürtel“. Der ehemalige Schatzmeister der Partei Luis Bárcenas war am 24. Mai zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Mit ihm haben weitere 15 PP-Funktionäre die Haft angetreten. Das Urteil bekräftigte die Existenz von Schwarzgeldkassen seit Parteigründung und widersprach der Version Rajoys, es wären lediglich Einzelpersonen, die in Korruptionsfälle verwickelt seien. Wegen „Bildung einer Organsiation zur Begehung von Gesetzesverstössen“wurde die Partei zu einer Zahlung von 245.000 Euro verdonnert.

C’s, die bei den Wahlen im Juni vor zwei Jahren der Korruption den Kampf angesagt hatten, verfolgen ihre eigene Interessen. So unterstützen sie bislang die korrupte PP-Regierung und verabschiedeten mit ihr gemeinsam die Haushaltspläne. Selbst der Fall „Gürtel“ war für C’s-Chef Albert Rivera kein Grund, sich gegen die PP zu stellen. Ihm und seinen Neoliberalen gehts vor allem um die Macht. Vom Prestigeverlust der PP profitierend, erhoffen sie sich, durch Neuwahlen an die Regierung zu gelangen. An einer PSOE- Regierung, die mit dem Abdanken der PP-Regierung automatisch in Kraft tritt und lediglich vom König abgesegnet werden muss, haben sie folglich kein Interesse.

Sánchez der bis zuletzt auf die Unterstützung der kleinen Parteien hoffen musste, wird es schwer haben, eine stabile Regierung zu bilden. Die PSOE ist auf die Stimmen der Parteien aus den autonomen Gemeinschaften angewiesen und da könnte ihm der Katalonienkonflikt zum Verhängnis werden. Die katalanischen Parteien haben zwar gegen Rajoy gestimmt, wollen im Gegenzug jedoch Entgegenkommen in der Frage der Unabhängigkeit. Kataloniens neuer Ministerpräsident Quim Torra bot Sánchez heute auf einem Treffen des Ökonomiezirkels in der Urlaubsstadt Sitges Dialog und Verhandlungen an. „Die komplizierte und schwierige Situation in Katalonien bedarf einer unmittelbaren Lösung“, so Torra. Er betonte in seiner Rede vor den Ökonomen, dass er an der Rekonstituierung der legitimien Regierung unter Carles Puigdemont festhalte und nicht vergessen würde, dass sich die PSOE zur Komplizin bei der Repression gegen die katalanischen Insitutionen gemacht habe. Deshalb würde man deren Schritte kritisch beäugen, so Torra. Die Lösung der Gefangenen- und Exiliertenfrage könnte Torra als Legitimation dienen, sich auf einen Deal mit Sánchez einzulassen und eine Erweiterung des Autonomie-Statuts anzunehmen, wie es auch der Wirtschaftszirkel vorgeschlagen hatte. Damit würde Torra jedoch ziemlich sicher die Unterstützung der Basis verlieren, die beim Referendum am 1. Oktober mit knapper Mehrheit für eine unabhängige katalanische Republik stimmte. Wenn Sánchez nicht von seiner bisherigen Haltung abrückt und Torra das Volksmandat der Republik aufrecht erhält, wird es somit weder in der Katalonienfrage eine Lösung, noch eine Unterstützung der PSOE-Regierung durch die katalanischen Parteien geben.

Podemos wurde auch bereits in ihre Schranken verwiesen. Eine Beteiligung im Kabinett, wie sie deren Chef Pablo Iglesias anbot, lehnte die PSOE ab. Statt „ein Beispiel für einen neuen Sozialismus im Süden Europas“ zu schaffen, wie von Iglesias vorgeschlagen, will Sánchez lieber an den Haushaltsplänen der PP festhalten und auch die von der EU-auferlegten Sparmassnahmen inklusive deren Kürzungen einhalten. Es sieht erwartungsgemäß nicht so aus, dass die PSOE die Chance auf einen fundamentalen Politikwandel nutzen würde.