Tauziehen um Republik

Foto: Mela Theurer

Im Tauziehen der katalanischen Unabhängigkeitsparteien um Präsidentschaftskandidaten und Programmpunkte hat die antikapitalistische CUP die Faxen dicke. Ihr gehts darum, die Republik aufzubauen. Dazu ist der Bruch mit dem spanischen Staat und seinen Gesetzen notwendig

 Der Prozess um die katalanische Unabhängigkeit ist nicht nur durch die äußeren Umstände blockiert. Die Unabhängigkeitsparteien selbst schaffen es nicht, einen Ausweg aus der verfahrenen juristischen und politischen Situation zu finden. Dabei wäre alles ganz einfach, würden sie das Volksmandat des Referendums vom 1. Oktober, welches durch die staatlich aufgezwungenen Wahlen vom 27. Dezember erneut bestätigt wurde, annehmen und den Aufbau einer unabhängigen Republik voranbringen. So sieht es jedenfalls die linke, antikapitalistische Kandidatur für Volkseinheit CUP, die den neuen Präsidentschaftskandidaten Jordi Sànchez nicht wählen will. Stattdessen fordert sie einen institutionellen Bruch mit dem spanischen Staat.

Der CUP Abgeordnetete Carles Riera bekräftigte am Montag auf einer Pressekonferenz die Position seiner Partei, sich bei der Präsidentenwahl zu enthalten. Dabei gehe es nicht um den Namen des Kandidaten, sondern um das Programm der beiden Unabhängigkeitsparteien Junts x CatalunyaJxCat und ERC, welches er als autonomistisch charakterisiert. „Wenn eine Mehrheit des Parlaments nicht in der Lage ist, sich über so eine relative Geringfügigkeit hinwegzusetzen, wie dem rechtmässig gewählten Präsidenten und einem ehemaligen Minister das Abstimmungsrecht zuzugestehen, wie kann es es dann in der Lage sein, in einer zukünftigen Republik bei weitaus schwerwiegenderen Entscheidungen Ungehorsam gegenüber dem spanischen Staat zu leisten“ fragt sich Riera. Und stach damit genau ins Wespennest. Mit dem Ungehorsam tat sich das Unabhängigkeitslager jenseits der CUP bislang schwer. Nachdem die Basis, vor allem die Komitees zur Verteidigung des Referendums CDR die Abhaltung des Volksentscheides und zwei Tage später einen Generalstreik organisiert hatten, versagte die Politik an vielen Punkten. Präsident Puigdemont verzichtete zehn Tage nach dem Referendum darauf, die einseitige Unabhängigkeitserklärung – DUI – zu verkünden, wie es das eigens dafür geschaffene Gesetz vorsah. Bereits da konnte man sich fragen, wie ernst es ihm und den großen Parteien damit wirklich war. In einem Interview am 2. März mit dem katalanischen Radiosender RAC 1 gesteht Puigdemont seinen Rückzieher zwar selbstkritisch als Fehler ein, rechtfertigt die Entscheidung jedoch damit, dass dies für Madrid die Voraussetzung zum Dialog war. Dass dieser letztendlich nicht stattfand, war keine Überraschung. Für die CUP war bereits damals der Verhandlungszug abgefahren und auch an der Basis verstand man das Spiel auf Zeit nicht wirklich. Als dann am 27. Oktober auf den Straßen die im Parlament abgestimmte Mehrheit für die Republik gefeiert wurde, trat die katalanische Regierung den Rückzug an und überliess dem spanischen Staat und seinen Gerichten das Szenarium. Angesichts der Verabschiedung des Artikels 155 der Verfassung im Senat, welcher katalanische Instiutionen unter Zwangsverwaltung stellte und das Parlament auflöste, entzog sich der Präsident mit vier Ministern der Justiz und ging nach Belgien. Von dort aus sollte der Unabhängigkeitsprozess internationalisiert und auf Untersützung aus der Europäischen Gemeinschaft gesetzt werden. Die blieb jedoch erwartungsgemäss aus. Unterschiedlichen Interessen von Puigdemonts Partei JxCat und der ERC führten immer wieder zu zähen Verhandlungen über strategisches Vorgehen und Programmpunkte und verlangten der Basisbewegung viel Geduld ab. Das Festhalten an Puigdemont als Präsidentschaftskandidaten resultierte aus der Logik, dass die katalanische Regierung zwangsweise abgesetzt wurde, obwohl sie legal vom katalanischen Parlament gewählt worden war. Während man einerseits die Entmachtung nicht anerkannte, ging man andererseits nicht so weit, sich den restringtiven Bedingungen aus Madrid zu widersetzen und den Präsidenten einfach wiederzuwählen. Nachdem Puigdemont den Weg für einen neuen Kandidaten frei machte, unterzeichneten am Montag JxCat und ERC ein Abkommen, in dem sie sich auf Jordi Sànchez einigten und den Aufbau einer Republik bekräftigten. Nach der Ankündigung, dass sich die vier CUP-Abgeordneten bei der Wahl enthalten wollen, fehlen jedoch zwei Stimmen für eine Mehrheit von Sànchez. Ob dieser jedoch überhaupt legal gewählt werden kann, bleibt abzuwarten, denn gemeinsam mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Kulturorganisation Òmnium Cultural befindet sich der Präsidentschaftskandidat seit dem 16. Oktober unter dem Vorwurf der Aufwiegelung und Rebellion in Untersuchungshaft. Sànchez‘ Anwalt stellte inzwischen beim Gericht erneut einen Entlassungsantrag und alternativ eine Erlaubnis für die Teilnahme an der auf den 12. März angesetzten Abstimmung. Für den Fall einer negativen Entscheidung soll gegen den zuständigen Richter Llarena ein Befangenheitsantrag gestellt werden. Dieser nimmt sich dazu fünf Tage Zeit. Just am Tag der Abstimmung will er seine Entscheidung bekanntgeben.

Ebenfalls am Montag startete der Kongress-Abgeordnete der ERC Joan Tardà eine Initiative, um neue politische Bande zu knüpfen. In einem Artikel in der Tageszeitung El Periodico wandte er sich damit an den Vorsitzenden des Linksbündnisses Catalunya en comú, Xavier Domènech und an die katalanischen Sozialdemokraten PSC. JxCat lehnte ein Paktieren mit der PSC allerdings kategorisch ab, da sie diese als Komplizin des Artikels 155 sieht. Die CUP wiederum vertrat die Auffassung, dass Allianzen nur innerhalb eines republikanischen Rahmens möglich seien. Die ERC scheint angesichts der knappen Mehrheit des Unabhängigkeitslagers im Parlament nach alternativen Bündnispartnern zur CUP zu suchen, die unter dem politischem Druck steht, sich doch noch dem Kandidaturschaftpakt anzuschließen.

in veränderter Form erschienen in jw_08_03_2018