Selbstbestimmung verboten

Spanisches Verfassungsgericht stoppt Referendum über Unabhängigkeit Kataloniens
Das spanische Verfassungsgericht hat am Montag abend eine Eingabe der Regierung in Madrid angenommen und das am Samstag von Kataloniens Ministerpräsident Artur Mas unterzeichnete Dekret zur Einberufung einer Volksbefragung am 9. November ausgesetzt. Die Richter entschieden den Stopp des Referendums über eine Unabhängigkeit Kataloniens in Rekordzeit: Ihre Sitzung begann nur eine Stunde nach Einreichung des Regierungsantrags und dauerte nur 90 Minuten, bis die mehrheitlich der rechten Regierungspartei PP angehörenden Richter einstimmig die vorläufige Aussetzung des Gesetzes beschlossen.

Am Dienstag vormittag trat die katalanische Regierung zusammen und setzte die bereits gestartete Werbekampagne für das Referendum aus. Das sei »zum Schutz« der Beschäftigten der katalanischen Medien geschehen, erklärte Regierungssprecher Francesc Homs. Durch den Richterspruch ist jede weitere Werbung für die Abstimmung untersagt. »Ich vermute aber, daß sie im Netz weitergehen wird«, so Homs. Sowohl das Kabinett als auch das Parlament in Barcelona wollen die Gerichtsentscheidung anfechten. Durch diese sei »nichts beendet« worden, »der Souveränitätsprozeß geht weiter«. Er forderte das Verfassungsgericht zu einer sofortigen Veröffentlichung des Urteils auf und kündigte an, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dessen Aufhebung zu bewirken.

Parteien und Organisationen riefen derweil zu Protesten auf. Am Montag abend folgten unmittelbar nach der Madrider Entscheidung rund 300 Menschen einem Aufruf des Linksbündnisses »Kandidatur der Volkseinheit« (CUP) und demonstrierten vor dem Sitz der Delegation der spanischen Zentralregierung in Barcelona, der von der Polizei hermetisch abgeriegelt worden war. Für den gestrigen Dienstag abend rief die »Katalanische Nationalversammlung« (ANC) zu Kundgebungen vor allen Rathäusern Kataloniens auf. Im katalanischen Parlament kann es am heutigen Mittwoch zu einer ersten Aktion zivilen Ungehorsams gegen Madrid auf institutioneller Ebene kommen. Auf der Tagesordnung steht die Diskussion über die Zusammensetzung der Kommission, die die Durchführung des Referendums kontrollieren soll. Obwohl dies als illegale Fortsetzung der Vorbereitungen für den Volksentscheid gewertet werden könnte, erklärten die Sprecher aller prokatalanischen Parteien, den Punkt nicht von der Agenda streichen zu wollen.
veröffentlicht in jw am 1_10_2014