Spanien feiert sich selbst

Rechte mobilisieren in Katalonien gegen Unabhängigkeit. Faschisten rufen zu Gewalttaten auf
Am 12. Oktober 1492 soll Christoph Kolumbus Amerika erreicht haben. Der Kontinent gilt seitdem den europäischen Eroberern als entdeckt. In vielen »entdeckten« Ländern wird der sogenannte Kolumbus-Tag als Gedenktag gegen Kolonialismus und Völkermord begangen. So erklärte Hugo Chavez 2002 den vormaligen »Tag der Rasse« zum »Tag des indigenen Widerstandes«. In Uruguay begeht man den »Tag der Amerikas«, Bolivien feiert ihn als »Tag der Entkolonialisierung«, und in Peru gedenkt man des »Tages der einheimischen Völker und des internationalen Dialogs«.

Im Gegensatz zu den Ländern Amerikas, die an den Genozid an der indigenen Bevölkerung erinnern, wird in Spanien der Nationalfeiertag und die »Hispanidad«, das Spanischtum, gefeiert.

Höhepunkt der staatlichen Feierlichkeiten, die in kolonialistischer und militärischer Tradition stehen, war auch in diesem Jahr die offizielle Militärparade in Madrid. Erstmals nahm König Felipe an der mit über 800.000 Euro als »Sparparade« veranschlagten Veranstaltung teil.

Während in Madrid das Militär paradierte, versammelten sich in Barcelona auf dem zentralen Platz »Plaça Catalunya« rechte und prospanische Parteien und Gruppen. Neben der rot-gelb-roten Nationalflagge waren auch faschistische Symbole und T-Shirts der griechischen Neonazipartei »Goldene Morgendämmerung« zu sehen. Offiziellen Angaben zufolge nahmen 38.000 Menschen an der Veranstaltung teil, ungefähr genausoviel wie im vergangenen Jahr. Aufgerufen hatten die konservative Volkspartei (PP), die prospanischen Ciutadans (Bürger), die Partei »Unió, Progres y Democracia« (Einheit, Fortschritt und Demokratie) sowie die »Katalanische Zivilgesellschaft«, Societat Civil Catalana. Letztere hat sich im März gegründet, um die katalanische Unabhängigkeit zu verhindern.

In Reden wurde die Einigkeit Spaniens beschworen und das für den 9. November geplante Referendum zurückgewiesen. Auch die faschistische »Plattform für Katalonien« und deren militanter Arm »Casal Tramuntana« waren präsent. Gegen Ende reihten sich auch Faschisten der Gruppierung »Spanien in Bewegung« ein. Sie hatten zuvor auf dem Berg Montjuïc nahe Barcelona unter den Augen der Polizei ihre jährliche Kundgebung abgehalten. Dabei verbrannten sie zwei katalanische Flaggen und riefen zu Gewalttaten auf: Manuel Andrino von der »Falange« forderte die Erschießung des »Verräter«-Präsidenten der autonomen Provinz Katalonien, Artur Mas. Und Pedro Pablo Peña von der Alianza Nacional sprach sich für »direkte Aktionen« gegen Wahllokale am 9. November aus, falls die Volksbefragung über die Unabhängigkeit Kataloniens nicht verhindert würde. Die Mehrzahl der knapp 250 angereisten Faschisten verließ Barcelona bereits am Nachmittag wieder.

Antifaschisten hatten gegen das rechte Treiben einen Aktionstag organisiert. Am Vormittag nahmen rund 600 Nazigegner an zwei Demonstrationszügen teil, die sich später vereinten. Dazu aufgerufen hatten zum einen die »Einheit gegen Faschismus und Rassismus« (UCFR) und die »Antifaschistische Plattform«. Auf einer Abschlusskundgebung am frühen Abend bekundeten die rund 300 Anwesenden unter der Losung »¡No pasarán!« ihren Widerstandswillen gegen Faschismus und Rassismus. So forderte unter anderem Ada Colau von der Gruppe »Podem« (Es ist möglich) die Schließung der Internierungslager für Migranten sowie des Neonazizentrums Tramuntana.

Kritik erntete der Direktor der Guardia Civil, Arsenio Fernández de Mesa. Er hatte am Samstag sogenannten illegalen Einwanderern sowie der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung den Kampf angesagt. Dem gegenüber betonte die Vorsitzende der Grünen, Dolors Camats, »den alltäglichen Rassismus auf der Arbeit, in der Nachbarschaft und im Alltag zu bekämpfen, dazu sind wir alle gefordert«.
veröffentlicht in jw am 14_10_2014