Unter Madrids Kontrolle

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Foto: Mela Theurer

Trotz Mehrheit könnte das Unabhängigkeitslager in Katalonien unterliegen. Die Stimmen derer im Exil und im Gefängnis fehlen

Das katalanische Parlament konstituiert sich heute in seiner 12. Legislaturperiode unter dem Diktat Madrids. Die Zentralregierung hatte am 27. Oktober 2017 den Verfassungsartikel 155 gegen die katalanische Autonomie angewandt und damit die ökonomische und politische Kontrolle über die Region übernommen. Nach dem Referendum am 1. Oktober letzten Jahres verhinderte die spanische Regierung damit die Schaffung der unabhängigen Republik Kataloniens und setzte für den 21. Dezember Neuwahlen an. Diese brachten allerdings nicht das gewünschte Ergebnis. Die rechtsliberalen Ciutadans (Bürger) wurden zwar stärkste Kraft. Jedoch erhielten die Parteien, die für eine Unabhängigkeit sind, insgesamt die Mehrheit der Stimmen im Parlament.

Der Artikel 155 ist gegenwärtig noch in Kraft. Spaniens Premierminister Mariano Rajoy drohte mit einer weiteren Verlängerung, sollte der Spitzenkandidat des Bündnisses Junts per Catalunya (Gemeinsam für Katalonien) und Ex-Präsident der Generalitat, Carles Puigdemont, in seinem Amt bestätigt werden. Der ehemalige Präsident befindet sich mit vier seiner Minister in Brüssel, wohin er Ende Oktober geflüchtet war, um einem Haftbefehl des spanischen Staates zu entgehen. Vor knapp einer Woche hatten sich die beiden Unabhängigkeitsparteien Junts per Catalunya und die sozialdemokratischen Republikaner (ERC) erneut auf ihn als Präsidentschaftskandidaten geeinigt. Seine Kandidatur wird jedoch immer unwahrscheinlicher. Laut einem juristischen Gutachten muss er bei der Abstimmung auch persönlich im Parlament anwesend sein. Ob dasselbe auch für die sich im Gefängnis befindenden Parlamentsmitglieder gilt, darüber entscheiden heute der Alterspräsident sowie die beiden jüngsten Mitglieder des Parlaments. Der Antrag des Ex-Vizepräsidenten Oriol Junqueras, in ein katalanisches Gefängnis verlegt zu werden, um an den Plenarsitzungen teilnehmen zu können, war zuvor vom Gericht abgelehnt worden.

Nach dem Wahlergebnis vom 21. Dezember verfügen Junts per Catalunya über 34 Sitze, ERC über 32 und die CUP (ein linkes Parteienbündnis) über 4. Die Ciutadans sind mit 36 Abgeordneten vertreten. Die Partei der Sozialisten Kataloniens (PSC) verfügt über 17, das Linksbündnis Catalunya en Comú – Podem (Katalonien Gemeinsam – Wir können) über 8 und die postfranquistische Volkspartei PP über 4 Sitze. Mit 70 zu 65 Abgeordneten liegen die Unabhängigkeitsbefürworter damit zwar vorne, durch die Entscheidung, das Stimmrecht nicht delegieren zu können, ist diese Mehrheit aber hinfällig.

Entscheidend bei der Wahl können die Stimmen der Abgeordneten von Catalunya en Comú – Podem werden. Der PP-Vorsitzende Xavier García Albiol rief inzwischen die Oppositonsparteien zur Geschlossenheit auf und verlangte insbesondere vom Linksbündnis um Podem, nicht mit den Unabhängigkeitsbefürwortern gemeinsame Sache zu machen.

Bei der heutigen Parlamentsbildung wird zunächst der Parlamentsvorsitz gewählt.

Wenn im ersten Wahlgang niemand die erforderliche Mehrheit erringen kann, entscheidet ein zweiter Wahlgang zwischen den beiden Anwärtern mit der höchsten Anzahl an Stimmen. Ist diese Abstimmung abgeschlossen, konstituiert sich der Sitzungsvorstand, dem zehn Arbeitstage zur Verfügung stehen, um über einen Präsidentschaftskandidaten zu verhandeln. Spätestens am 31. Januar muss dessen Wahl erfolgen. Im ersten Wahlgang ist eine absolute Mehrheit erforderlich. Wird keine erzielt, reicht eine einfache Stimmenmehrheit aus. Kommt es jedoch auch im zweiten Wahlgang zu keinem Ergebnis, können die parlamentarischen Gruppen eine erneute Wahl mit demselben oder mit einem neuen Kandidaten vorschlagen. Sollte es innerhalb von zwei Monaten keinen gewählten Präsidenten geben, erfolgt automatisch die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen müssen innerhalb von 54 Tagen stattfinden.

 

veröffentlicht in jw am 17.1.2018