Tabarnia soll eine Satire auf die katalanische Unabhängigkeitsbewegung sein
Es war ein merkwürdiges Bild am Sonntag in Barcelona. Auf einer Kundgebung der Plattform Tabarnia dominierten sowohl dessen Fahnen wie die des spanischen Staates. Laut Stadtpolizei nahmen 15.000 Menschen an dem Protest gegen die Unabhängigkeit Kataloniens teil. Unter den Demonstranten waren Javier Ortega, Generalsekretär der ultrarechten Partei VOX, und als Vertreter der spanischen Aristokratie Eduardo de Delas und Álvaro de Marichalar. Letzterer ließ es sich nicht nehmen, vor der Abschlusskundgebung auf dem Rathausplatz die Tabarnia-Fahne an einem Balkon zu befestigen. Am Ende wurde die spanische Nationalhymne abgespielt.
Was steckt jedoch hinter Tabarnia, das mit eigener Flagge und Hymne und einer neu gestalteten Landkarte eine spanische Enklave innerhalb der autonomen Republik Katalonien sein will? Der Neologismus setzt sich aus Tarragona und Barcelona zusammen und bezieht sich auf das Gebiet, in dem weniger als 50 Prozent für die Eigenständigkeit Kataloniens bei dem Referendum am 1. Oktober gestimmt hatten. Hinter der Plattform steht ein rechter Spaltungsversuch, der die Unabhängigkeitsbewegung lächerlich machen, ihre Symbole und Aktivitäten imitieren und mittels Satire gegen sie intervenieren will. Seit den Wahlen im Dezember 2017 ist Tabarnia vor allem im Internet sehr aktiv.
Der Ursprung liegt bei der 2012 gegründeten Plattform »Barcelona ist nicht Katalonien«. Diese versuchte damals erfolglos, die Unabhängigkeitsbewegung zu diskreditieren. 2015 trat die Plattform dann erstmals unter dem Namen Tabarnia in Erscheinung. Nach eigenen Angaben umfasst sie derzeit über 100 Vereinigungen und Firmen, die sich als unionistisch verstehen und die Einheit Spaniens verteidigen.
Die politische Nähe zu rechten Parteien und Organisationen verschweigen ihre Funktionäre nicht. Ihr derzeitiger »Präsident im Exil«, der Dramaturg und Schauspieler Albert Boadella, ist Gründer der neoliberalen Ciutadanos. Die Vorsitzende der Ciudadanos-Fraktion im katalanischen Parlament, Inés Arrimadas, wie auch deren Parteivorsitzender Albert Rivera begrüßen ihrerseits das Projekt Tabarnia als interessanten, satirischen Beitrag zum Politikgeschehen.
Ein anderer Rechter in den Reihen von Tabarnia ist dessen derzeitiger Sprecher und Boadellas Vorgänger, Jaume Vives i Vives. In einem seiner Beiträge im Internet bezeichnet er den Islam und die »Genderideologie« als Werkzeuge des Satans. Von einem im Zentrum Barcelonas errichteten »Widerstandsbalkon« beschallte er die Nachbarschaft im vergangenen Oktober mit »Viva España«-Gesang und der Hymne der paramilitärischen Guardia Civil.
Vives bezeichnet sich als Katholik und Journalist. In seiner 2011 gegründeten Onlinezeitung El Prisma interviewte er den ehemaligen Vorsitzenden der faschistischen »Plattform für Katalonien«, Josep Anglada, ebenso wohlwollend wie er dem erzreaktionären Katholiken Ignacio Arsuaga von »Verschaff dir Gehör« ein Forum gab. Diese Organisation spricht sich gegen Schwangerschaftsabbrüche und Homosexualität aus. Im vergangenen Jahr sorgte sie für einen Skandal, als sie mit einem Bus mit der Aufschrift »Jungs haben einen Penis, Mädchen eine Vulva, lasst euch nichts vormachen« bei der Fahrt durch Katalonien von der Polizei gestoppt wurde. »Verschaff dir Gehör« musste wegen Verbreitung von Propaganda gegen Transsexuelle eine Geldbuße von 1.700 Euro zahlen.
Gemeinsam mit der rechten Societat Civil Catalana (SCC) wollte Tarbarnia zum Auftakt der Branchenmesse GSMA Mobile World Congress vergangener Woche in Barcelona gegen die Unabhängigkeitsbewegung demonstrieren. Doch der Druck aus der Wirtschaft veranlasste die SCC – und im Zuge dessen auch Tabarnia –, die Kundgebung auf Sonntag zu verlegen, um einen reibungslosen Ablauf des Kongresses nicht zu gefährden.
veröffentlicht in jw am 6_3_2018