Unregierbar machen

Foto: Mela Theurer

Protest gegen Sitzung des spanischen Kabinetts in Barcelona: Tausende wollen Metropole lahmlegen

Tausende Menschen wollen am heutigen Freitag in Barcelona gegen eine Sitzung des spanischen Regierungskabinetts in der katalanischen Metropole protestieren, für den Abend ist eine Großdemonstration angekündigt. Aktivisten wollen nach dem Beispiel der französischen »Gelbwesten« Verkehrsverbindungen lahmlegen. Indirekte Unterstützung erhalten sie dabei von den Eisenbahnern, denn bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft Renfe soll am heutigen Freitag gegen Stellenstreichungen gestreikt werden. Mehr als 150 Zugverbindungen wurden vorsorglich bereits gestrichen.

Auslöser für die Proteste gegen das Treffen der spanischen Regierung sind nicht die vorgesehenen Tagesordnungspunkte, weder die Beratung über die geplante und von den Gewerkschaften begrüßte Anhebung des Mindestlohns oder die für Beamte vorgesehene Lohnerhöhung um 2,25 Prozent noch die Entscheidung über 1,8 Milliarden Euro, die in

den Straßenbau auf den Kanaren fließen sollen. Die Befürworter einer Unabhängigkeit Kataloniens begreifen die Präsenz von Ministerpräsident Pedro Sánchez und seinem Kabinett schlicht als Provokation. Hintergrund ist die verfahrene Situation im Streit um die Selbstbestimmung der Region, in die auch der sozialdemokratische Regierungschef bisher keine Bewegung bringen konnte. Seine Minderheitsregierung, die am 1. Juni durch einen Misstrauensantrag gegen die korrupte postfranquistische Volkspartei (PP) an die Macht kam, verfolgt zwar einen liberaleren Kurs als Vorgänger Mariano Rajoy, hält aber ebenso an der in der Verfassung verankerten Unteilbarkeit des spanischen Staates fest. Andererseits ist Sánchez im Parlament auch auf die Stimmen der katalanischen Regionalparteien ERC und PDECat angewiesen.

Die rechte Opposition aus neoliberalen »Ciudadanos« (Bürger) und PP drängt derweil auf Neuwahlen und macht mit der Forderung nach einer erneuten Aufhebung der Autonomie Kataloniens Druck auf die Regierung. Die ultrarechte Partei Vox, die kürzlich in das andalusische Regionalparlament einziehen konnte, beschwört noch ganz andere Zeiten.

Sánchez verstand die Ansetzung der Sitzung in Barcelona als Gesprächsangebot und Geste der Entspannung genau ein Jahr nach der von Madrid erzwungenen Neuwahl des Regionalparlaments. Dazu soll auch ein Treffen zwischen Sánchez und dem katalanischen Ministerpräsidenten Joaquim Torra dienen, das inzwischen offiziell bestätigt wurde.

Trotzdem mobilisieren zum Beispiel die »Komitees zur Verteidigung der Republik« (CDR) weiter gegen die Kabinettssitzung und haben dazu aufgerufen, bereits in den frühen Morgenstunden den als Tagungsort gewählten Sitz der Industrie- und Handelskammer zu blockieren. Sie werden sich dort Sondereinsatzkommandos der spanischen und katalanischen Polizei gegenübersehen, die das Gebäude weiträumig absperren wollen. Die Repression soll unter dem Motto »Am 21. Dezember sind wir unregierbar« durch spontane Aktionen umgangen werden. Die Bürgerbewegung »Katalanische Nationalversammlung« (ANC) hat zu einer Blockade der Hauptverkehrsadern der Stadt aufgerufen. Besonderes Augenmerk genießen in der spanischen Presse derzeit vor allem die neugegründeten GAAR (Autonome schnelle Aktionsgruppen), denen zwischen 4.000 und 6.000 Menschen aus verschiedenen politischen Zusammenhängen angehören. Im Internet rufen sie ebenso wie die CDR dazu auf, die Stadt lahmzulegen. Als Höhepunkt der Aktionen ist für 18 Uhr eine Großdemonstration unter dem Motto »Das Regime stürzen« geplant.

Streit gab es dagegen im Vorfeld um einen vom linken Gewerkschaftsbund Intersindical-CSC ausgerufenen zweistündigen Generalstreik von 12.30 bis 14.30 Uhr. Die ebenso wie die CSC für die Unabhängigkeit Kataloniens eintretende COS kritisierte, dass der Ausstand ohne jede Absprache oder Koordination mit anderen Organisationen und ohne Vorbereitung durch die Arbeiter an der Basis ausgerufen worden sei. Auch andere Gewerkschaftsverbände wie die anarchosyndikalistische CGT oder die großen Zentralen CCOO und UGT beteiligen sich nicht an dem Streik.

veröffentlicht in jw am 21_12_2018