Die bewaffnet kämpfende baskische Organisation ETA erklärt formal ihr Ende und gedenkt allen Opfern des Konflikts. Der spanischen Regierung ist dies Schnurz. Eine Lösung ist nicht in Sicht
Die baskische Organisation ETA (Euskal Ta Askatasuna) – Baskenland und Freiheit vollzog heute formal ihre Auflösung. Sechseinhalb Jahre nach ihrer einseitigen Waffenstillstanderklärung machte damit die seit 59 Jahren operierende bewaffnete Organisation in einem offiziellen Akt den Weg für eine neue Etappe frei. In Kanbo (Cambo-les-Bains), dem französischen Teil des Baskenlandes, wurde die Auflösungserklärung in baskisch, englisch, französisch und spanisch verlesen. Während weder das Baskenland noch Navarra offiziell bei diesem historischen Akt vertreten war, erschienen neben Teilen der abertzalen Linken auch die Mehrheit der Mediatoren im Konflikt um die baskische Unabhängigkeit. Gerry Adams, der frühere Chef der irischen Sinn Féin kritisierte die unachgiebige Haltung der spanischen Regierung und betonte, auch er sei lange Jahre im Gefängnis gewesen. Der südafrikanische Anwalt Brian Curry erklärte den Friedensprozess auch ohne die Implikation des spanischen Staates als Erfolg. Eine Schweigeminute für alle Opfer des bewaffneten Konfliktes im Baskenland folgte.
Mit dieser letzten „Erklärung von Arnaga“ setzte die baskische Organisation einen definitiven Schlussstrich unter ihre Geschichte. Sie will den Kampf für ein wiedervereinigtes, unabhängiges, sozialistisches, baskisches und antipatriarchales Euskal Herria auf anderen Ebenen fortsetzen: „ETA sei aus dem Volk heraus entstanden und würde nach ihrer Auflösung wieder in dieses übergehen“, heißt es unter anderem in der Erklärung.
1959 war ETA als sozialisitsche Unabhängigkeitsorganisation und Teil der Widerstandsbewegung gegen Franco gegründet worden. Ihre damals spektakulärste Aktion war der Anschlag auf Luis Carrero Blanco. In der „Operación Ogro“ wurde am 20. Dezember 1973 das gepanzerte Fahrzeug des Militärs und vermeintlichen Franco-Nachfolgers Carrero Blanco durch einen Sprengstoffanschlag meterhoch in die Luft geschleudert.
Auch nach dem Ende der Franco-Diktatur operierte die Organisation weiter. Unter der sozialdemokratischen Regierung Felipe González wurden sogenannte Todesschwadronen (GAL) gegründet, die zwischen 1983 und 1987 für die Ermordung von mindestens 28 mutmaßlichen Mitgliedern der baskischen Unabhängigkeitsbewegung verantwortlich waren.
Nach ihrer letzten Aktion auf den Flughafen Barajas 2006, wo zwei im Auto schlafende Personen, die bei der Evakuierung übersehen wurden, durch die dort platzierte Bombe zu Tode kamen, forderte die baskische abertzale Bewegung eine längst überfällige Zäsur. Die militärischen Aktionen wurden in Folge dessen eingestellt und auf Verhandlungen gesetzt.
Der südafrikanische Nobelpreisträger Bischof Desmond Tutu war einer der Mitinitiatoren der 2010 gegründeten internationalen Mediatorengruppe, die im Konflikt zwischen der baskischen Organisation und dem spanischen Staat vermitteln sollte. Doch die spanische Regierung bewegte sich keinen Milimeter von ihrer harten Linie. Am 20. Oktober 2011 verkündete ETA einseitig einen Waffenstillstand und im März 2017 übergab sie offiziell ihre Waffen. Ein Jahr darauf, am 20. April, kündigte ETA ihre definitive Auflösung an und bat für die Opfer ihrer Aktionen um Verzeihung.
Die regierende Volkspartei Partido Popular (PP) ist auch angesichts dieser Situation nicht auf der Höhe des Geschehens. Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte zur Auflösung von ETA, der spanische Staat würde keine Zugeständnisse an die „Terroristen“ machen, sie würden nach wie vor verfolgt, verurteilt und müssten ihre Strafe bis zum letzten Tag absitzen. Eine Straffreiheit gäbe es in keinem Falle. ETA hätte überhaupt nichts erreicht und Spanien bestünde trotz ihres Terrors als große Nation weiter, so Rajoy. Die Ignoranz exisitierender Konflikte seitens der Regierung ist nichts Neues, jedoch wieder einmal eine verpasste Lektion. Somit führt die Auflösung von ETA erstmal auch nicht zu einer Lösung des nach wie vor bestehenden Konflikts. Die Gräben innerhalb der Gesellschaft sind tief und ein Zeichen seitens der Regierung mit der Bereitschaft zum Dialog wäre ein erster Schritt zur Annäherung und Versöhnung und der Lösung der Gefangenenfrage. Fast 300 baskische Gefangene sind derzeit noch in spanischen und französischen Gefängngissen inhaftiert. Während Medienberichten zufolge die französische Regierung inzwischen begonnen hat, die baskischen Gefangenen in Heimatnähe zu verlegen, zeigt der spanische Staat auch dazu keine Bereitschaft. „Baskische Gefangene zurück ins Baskenland“ ist eine langjährige Forderung der Angehörigen, die es als zusätzliche Strafe sehen, für ihre Besuche in den Gefängnissen hunderte von Kilometern auf sich nehmen zu müssen.