Demokratie steht auf dem Spiel

Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont hält an Unabhängigkeitsreferendum fest und präsentiert Madrider Regierung einen Vorschlag zum Dialog

Der Präsident der Generalitat Kataloniens, Carles Puigdemont, hat am Montag im Cibeles-Palast, dem Sitz der Madrider Stadtverwaltung, einen Verhandlungsvorschlag zum geplanten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien vorgestellt. Begleitet wurde er von seinem Vizepräsidenten Oriol Junqueras und von Raül Romeva, dem Außenminister der Region.

Puigdemont betonte vor der Presse, er wolle den Weg für Verhandlungen über eine demokratische Abstimmung offenhalten. Außerdem zeigte er sich bereit, sowohl über das Datum wie auch über die Frage und den Rahmen der Volksbefragung zu sprechen. »Wir sind offen, mit allen und über alles zu reden. Falls dieser letzte Versuch jedoch scheitern sollte, muss sich die spanische Regierung darüber im klaren sein, dass wir das Referendum auf jeden Fall abhalten werden«, sagte Puigdemont. »Wir haben eine Verpflichtung der katalanischen Bevölkerung gegenüber und die fordert das Recht, an der Urne über ihre eigene Zukunft abzustimmen«, erklärte der Ministerpräsident.

Am vergangenen Freitag hatte die Initiative »Nationalpakt für das Referendum« in Barcelona die Ergebnisse einer Kampagne für das Recht auf Selbstbestimmung vorgestellt. Sie legten eine halbe Million Unterschriften von Privatpersonen sowie Vereinen vor, die sich für den Volksentscheid aussprechen. Puigdemont bekräftigte, dass der Weg nicht über Gerichte und Repression, sondern im Dialog gesehen werden müsse. Damit bezog er sich auf die Urteile gegen katalanische Politiker, die das am 9. November 2014 abgehaltene, nicht bindende Referendum unterstützt hatten.

Die Bestrafung von Ideen und die Missachtung einer Mehrheitsmeinung in Katalonien seien keine Lösung, erklärte Puigdemont. Auch anderen Ländern in Europa, wie Schottland, sei das Recht auf eine demokratisch abgehaltene Befragung gegeben worden. Romeva sagte, der spanische Staat setze durch diesen Umgang mit der Bevölkerung Kataloniens die Demokratie aufs Spiel.

Der konservative spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy von der postfranquistischen Volkspartei (PP) erklärte im Vorfeld, ein Referendum sei für ihn inakzeptabel. Er ließe niemals zu, dass die Einheit Spaniens zerstört werde. Katalonien erpresse den Staat und alle Spanier. »Nichts ist für immer und ewig«, erwiderte Puigdemont auf das Madrider Argument, dass die Einheit des Staates in der Verfassung garantiert sei. »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«

Unterdessen geriet die linke Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena in die Kritik der PP und der neoliberalen Partei Ciutadans, weil sie die städtischen Räume für die Versammlung zur Verfügung gestellt hatte. Keine der bürgerlichen Parteien war zu der Pressekonferenz erschienen. Vor Ort war nur Pablo Iglesias von der linken Vereinigung Podemos, der sich bereits im Vorfeld mit den katalanischen Politikern getroffen hatte. Iglesias sprach sich für ein auf Verhandlungen basierendes Referendum aus.

Die spanische Tageszeitung El País nahm am Montag den als »Loslösungsgesetz« bezeichneten Vorschlag der katalanischen Regierung auf die Titelseite. Demnach liege der Zeitung ein geheimer Entwurf vor, der eine sofortige, einseitige Unabhängigkeitserklärung vorsehe, falls der spanische Staat ein Referendum nicht zuließe. Eine provisorische Regierung übernähme dann die Kontrolle über das Justizwesen sowie die Verwaltung. Katalanisch solle die offizielle Amtssprache werden, heißt es zudem in dem Artikel.

Die katalanische Regierung dementierte die in El País publizierte Version des Entwurfs. Priorität habe der Dialog mit Madrid. Das sich derzeit in Ausarbeitung befindende Gesetz unterscheide sich deutlich von dem, was El País druckte.

Auch die extreme Rechte mobilisierte gegen den Besuch aus Barcelona. Rund 70 Mitglieder der Falange und der Alianza Nacional demonstrierten vor dem Cibeles-Palast. Neben Beschimpfungen und Beleidungen – den Katalanen wurden Gefängnisstrafen angedroht – bewarfen die Faschisten die anwesenden Journalisten und Politiker.

veröffentlicht in jw am 24_5_2017