Katalonien: Verschiedene Organisationen rufen Politiker zur Einheit im Prozess für die Unabhängigkeit auf
Am Sonntag haben in Barcelona 110.000 Menschen erneut für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien demonstriert. Bereits eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung füllte sich die Plaça Catalunya mit den katalanischen Nationalfarben sowie Rufen nach Unabhängigkeit und Einheit. Die Ansage war klar: »Votarem – wir werden wählen.«
Die Demonstration war im Rahmen der Kampagne »Die Zeit ist reif« (»Ara és l’hora«) von der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und der Kulturorganisation »Òmnium Cultural« organisiert worden. Letztere setzt sich unter anderem für die Verbreitung der katalanischen Sprache und das Recht auf Selbstbestimmung ein. Ihre Vorsitzende Muriel Casals sowie die ANC-Präsidentin Carme Forcadell forderten in ihren Ansprachen die katalanischen Politiker auf, sich wieder an einen Tisch zu setzen, um den Prozess für die Unabhängigkeit Kataloniens geschlossen voranzubringen.
Noch ist offen, ob dies gelingt. Nachdem das spanische Verfassungsgericht auf Antrag der Regierung in Madrid das vom katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas für den 9. November angesetzte Referendum über die Abspaltung von Spanien ausgesetzt hatte, machte dieser am 14. Oktober einen Rückzieher (jW berichtete) Statt eines de facto bindenden Volksentscheids soll am 9. November nur noch eine symbolische Volksbefragung stattfinden. Als eigentliches Plebiszit sollen dann vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden, für die die für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien eine gemeinsame Liste aufstellen und nach ihrem Wahlsieg einseitig die Eigenständigkeit Kataloniens proklamieren wollen.
Die Republikanische Linke wird keinen Haushalt mehr verabschieden, solange Katalonien nicht unabhängig ist.
Die Reaktionen auf diesen Vorstoß von Mas waren in den einzelnen Parteien sehr unterschiedlich. So geben die Ökosozialisten des linken Wahlbündnisses ICV-EUiA nach wie vor einem Referendum Priorität und wollen ebenso wie Teile von Mas‘ eigener konservativer Regierungsallianz CiU keine Neuwahlen akzeptieren. So möchte der Chef der Demokratischen Union Kataloniens (UDC), Josep Antoni Duran i Lleida, Verhandlungen mit der spanischen Regierung. Demgegenüber fordert Oriol Junqueras von der Republikanischen Linken (ERC), umgehend einseitig die Unabhängigkeit auszurufen. An solchen Auseinandersetzungen droht ein gemeinsames Vorgehen der pro-katalanischen Parteien zu scheitern. So kündigte Junqueras am Wochenende im Gespräch mit der Tageszeitung El Periódico bereits die Zusammenarbeit mit der CiU – die auf die Stimmen der ERC angewiesen ist – im Parlament auf. Die Republikanische Linke werde keinen Haushalt mehr verabschieden, solange Katalonien nicht unabhängig ist. Verhandlungen mit der spanischen Regierung lehnt Junqueras entschieden ab, da sie nicht auf gleicher Augenhöhe stattfänden. Erst nach einer Unabängigkeit könne es Gespräche geben.
David Fernàndez, der für die antikapitalistische »Kandidatur der Volkseinheit« (CUP) im Parlament sitzt, sprach sich dafür aus, den am 9. November stattfindenden Volksentscheid zu unterstützen und plädierte für die Einheit der Parteien. Auch auf der Kundgebung am Sonntag war die Botschaft deutlich: Einheit, Wahlen und Unabhängigkeit. Man werde die Befragung am 9. November unterstützen, wenn die Parteien zur Geschlossenheit zurückfinden und der Volksentscheid die »erste Runde« des Referendums über die Unabhängigkeit sei. Die »zweite Runde« wären dann die Parlamentswahlen. Die Katalanen, egal welcher Herkunft oder Sprache, müssten frei über ihre Zukunft entscheiden können. An Ministerpräsident Mas gerichtet erklärte Carme Forcadell: »Wir fordern Sie auf, innerhalb der nächsten drei Monate Wahlen anzusetzen. Für den Frühling 2015 wollen wir ein neu konstituiertes Parlament. Zeigen Sie sich Ihres Mandats würdig und erfüllen Sie die Forderungen der katalanischen Bevölkerung.«
veröffentlicht in jw am 21_10_2014