Gegen Strafreduzierung für Folterer

In Argentinien erweiterte der Oberste Gerichtshof ein 2001 außer Kraft gestztes Gesetz, das zukünftig auch Strafen von Folterern und Verantwortlichen der Militärdiktatur für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verkürzen kann. Im Rahmen internationaler Proteste gingen in Barcelona Hunderte auf die Straße

Am Mittwoch Abend demonstrierten in Barcelona ca. 300 Personen gegen die Strafreduzierung für Verantwortliche von Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Argentinien. Was unter dem Motto „Nein zum 2×1“ nach einer Ablehnung von Pseudoschnäppchen klingt, steht im realen Kontext gegen Hafterleichterung und Straferlass für Folterer und Mörder. Über das Gesetzes, von 1994 bis 2001 in Kraft, war am 2.Mai neu abgestimmt worden. Drei der fünf Richter des Obersten Gerichtshofes stimmten für die Wiedereinführung und Erweiterung des Gesetzes und somit sind zukünftig  auch  argentinische Staatsterroristen, verantwortlich für die brutale Auslöschung einer ganzen Generation Oppositioneller unter der Militärdiktatur von Jorge Rafael Videla von 1976 bis 1983, begünstigt. Das Gesetz „2×1“, das vorsieht, die im Gefängnis verbrachten Tage vor der offiziellen Verurteilung doppelt anzurechnen, impliziert eine drastische Strafreduzierung auch für die wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verurteilten. Das postdiktatorische Argentinien galt bisher als Vorreiter in der Aufarbeitung von Verbrechen der Militärdiktatur. Als erstes Land stand es für die Bestrafung der Verantwortlichen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eine Einmaligkeit in der Geschichte eines Kontinents, dessen historische Kontinuität im Zeichen kolonialistischer und imperialistischer Gewalt stand. Während der Militärdiktatur Videlas waren zwischen 30 000 bis 45 000 Menschen verschwunden und ermordet worden. Unter der von den USA gesteuerten und unterstützten Militärdiktaturen Süd- und Mittelamerikas war Argentinien eines der Länder mit den meisten Ermordeten und Verschwunden. Wie auch in den Diktaturen der Nachbarländer waren in Argentinien ausgebildete Folterer der School of Americas de Panama am Werke. Grausamste Misshandlungen und systematische Morde standen auf der Tagesordnung. Täglich starteten die sogenannten Todesflüge mit DissidentInnen an Bord, die bei Mar de Plata lebendig aus dem Flugzeug ins Meer geworfen wurden. Schwangere Frauen aus dem Widerstand „durften“ ihre Kinder zur Welt bringen, um hinterher oft auf dieses Weise brutal ermordert zu werden. Das unmenschliche Geschäft mit geraubten Babys, die unter Familien der argentinischen Militärs und Bourgeoisie aufgeteilt wurden, brachte schließlich die Bewegung der Mütter und Großmütter der „Plaza de Mayo“ hervor, die ihre Kinder und Enkel zurück forderten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Initiative und der daraus entstandenen Massenbewegung wurde es möglich, Menschenrechtsverletzer vor Gericht zu bringen. Umso tragischer, dass genau das Land, das sich als Avantgarde in Frage der Menschenrechte auf einem Kontinent der Diktaturen hervorgetan hat, nun die eigenen Gesetze aushebelt. Luis Muiña, verantwortlich für die Entführung und Folterung von 22 Opositionellen 1976 und zu 13 Jahren Haft verurteilt, ist der erste Begünstigte dieses Gesetzes. Über hundert weitere Verurteilte für Massenmorde könnten in naher Zukunft folgen.