Streik für Referendum

Foto: Mela Theurer

In Katalonien protestieren Hunderttausende Schüler und Studierende. Sie wollen am Sonntag über Unahbhängigkeit der Region abstimmen.

Drei Tage vor dem geplanten Referendum am 1. Oktober blieben Kataloniens Hochschulen leer. Am Donnerstag streikten auch Tausende Schüler und gingen für die Abhaltung der Volksabstimmung auf die Straße. Gestern demonstrierten ebenfalls in der ganzen Region Hunderttausende Studenten unter dem Motto »Raus aus den Hörsälen, die Straße gehört uns!«

Den Protesten schlossen sich auch Rektorate der Hochschulen an. So bleibt die Universität Pompeu Fabra in Barcelona geschlossen. Die Studentenaktionen begannen mit den Razzien am 20. September vergangener Woche. Einheiten der sowohl dem Innen- als auch dem Verteidigungsministerium Spaniens unterstehenden Guardia Civil hatten 40 Institutionen, Ministerien und Privatwohnungen durchsucht; 15 Menschen waren vorübergehend festgenommen worden. Am Folgetag besetzten Studenten das historische Universitätsgebäude in der katalanischen Hauptstadt. Es ist seitdem in ihrer Hand.

Vor der Hochschule sind Infotische aufgebaut. In dem Haus finden täglich Versammlungen sowie kulturelle und politische Veranstaltungen statt. Auf dem vom Bündnis »Universitäten für das Referendum« organisierten Aktionstag am Mittwoch sprachen Vertreter aller Parteien, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzen, sowie der stellvertretende Bürgermeister Barcelonas, Gerardo Pisarello, von der linken Wahlliste »Barcelona en Comú«. Er erklärte, das demokratische Recht auf Abhaltung eines Referendums müsse gemeinsam verteidigt werden.

Unterdessen rief die Initiative »Offene Schulen« dazu auf, in den Schulen, wo die Abstimmung stattfinden soll, bis zum Sonntag für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen, um damit deren Schließung zu verhindern. In keinem Fall sollen Kinder als »Schutzschilde« herhalten, so die Veranstalter, auf deren Webseite sich innerhalb weniger Stunden bereits 16.000 freiwillige Helfer gemeldet hatten.

Die Staatsanwaltschaft hatte diesen Mittwoch die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra sowie die spanische Nationalpolizei unter Führung der Guardia Civil mit der Absperrung der Wahllokale sowie der Beschlagnahmung von Abstimmungsmaterial und Computern in den Schulen beauftragt. Josep Lluís Trapatero, Kammandeut der Mossos d’Esquadra, erklärte, die katalanische Polizei setze auf Deeskalation und würde nur mit richterlicher Anordnung dem Befehl nachkommen.

Inzwischen geht der Kompetenzstreit über die Befehlsgewalt über die Mossos d’Esquadra zwischen dem katalanischen und spanischen Innenministerium weiter. Der Widerspruch der Regierung in Barcelona, um die Regionalpolizei wieder unter ihre Kontrolle zu stellen, wurde juristisch abgelehnt. Kataloniens Präsident Carles Puigdemont rief daraufhin am Donnerstag den Sicherheitsrat zusammen, um über die Koordination der Einsatzkräfte zu beraten.

Vertreter der Guardia Civil und der Nationalpolizei sagten ihre Teilnahme an dem Treffen kurzfristig ab. José Antonio Nieto, Staatssekretär für Sicherheit im spanischen Innenministerium, erklärte auf einer Pressekonferenz, er habe insistiert, dass das Referendum nicht stattfindet. Der katalanische Innenminister Joaquim Forn erklärte, die Mossos d’Esquadra seien an Gesetze gebunden. Gleichzeitig unterstrich er deren Verankerung in der Bevölkerung.

Am Mittwoch versuchten bereits Kräfte der Guardia Civil in der Nähe Barcelonas in eine Schule einzudringen. Ihnen fehlte allerdings der Durchsuchungsbefehl. Dennoch wurden von 14 Personen, die sich im Gebäude aufhielten, die Personalien festgestellt und Autos durchsucht.

Nach wie vor sind die Konten der katalanischen Regierung eingefroren. Die Beamten der Generalitat erhielten zwar ihre Gehälter pünktlich, nachdem sie unterschrieben haben, dass die Gelder nicht für das Referendum ausgegeben würden. Doch mehr als die Hälfte der Krankenhäuser verfügt nicht über die notwendigen Zahlungsmittel.

Der spanische Gerichtshof Audiència Nacional bestätigte unterdessen die Verfolgung der Teilnehmer und Veranstalter der Massenproteste am 20. September. Ihnen wird die Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen. Einige der Verhafteten haben deswegen vor dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg Klage gegen ihre Verhaftung und die Durchsuchungen eingereicht.

veröffentlicht in jw am 29_9_2017