Ja zur Republik

Foto: Mela Theurer

Katalanen wollen am 1. Oktober über die Unabhängigkeit von Spanien abstimmen. Madrid setzt auf Repression

Zehntausende Menschen haben am Sonntag in Barcelona für ihr demokratisches Recht demonstriert, in einem Referendum über die weitere Zugehörigkeit ihres Landes zu Spanien entscheiden zu dürfen. 40.000 Personen folgten nach Veranstalterangaben dem Aufruf der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), der Kulturvereinigung Òmnium Cultural sowie der Assoziation der Gemeinden für die Unabhängigkeit (AMI) zur Kundgebung am Fuße des Montjuïc. Pep Guardiola, der frühere Trainer des FC Bayern München, verlas ein Manifest, in dem er die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung des demokratischen Prozesses in Katalonien und gegen die juristische Verfolgung führender Politiker durch die spanische Justiz aufforderte. »In einem Augenblick, in dem die Demokratie beschnitten werden soll, wird deren Verteidigung notwendiger denn je. Wir müssen an die Urnen gehen und mit all unseren Kräften das demokratische Recht und unsere Repräsentanten verteidigen«, erklärte Guardiola. Er zeigte sich überzeugt, dass man auch dann über die Unabhängigkeit abstimmen werde, wenn der spanische Staat das Referendum verhindern wolle.

ANC-Präsident Jordi Sànchez dankte dem katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont, der sich unter den Kundgebungsteilnehmern befand, für die Festlegung von Datum und Fragestellung für das Referendum. Am Freitag hatte Puigdemont in Begleitung seines gesamten Kabinetts sowie der für die Unabhängigkeit eintretenden Parlamentsabgeordneten erklärt, dass das Referendum am 1. Oktober stattfinden soll. Den Teilnehmern soll in den drei Amtssprachen der Region – Katalanisch, Spanisch und Aranesisch – die Frage vorgelegt werden: »Wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik wird?« Allerdings wurde dazu kein Dekret oder Gesetz verabschiedet. So gibt es für Madrid keine Handhabe, gegen das Referendum juristisch vorzugehen. Die spanische Regierung verweigert nach wie vor jede Verhandlungslösung und verweist stoisch auf die in der Verfassung garantierte Einheit Spaniens.

Bei der Kundgebung am Sonntag wollte Jordi Sànchez in seiner Ansprache nicht ausschließen, dass sich die Administration des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy doch noch zu Gesprächen bereit finden könnte. Dann müsse jedoch klar sein: »Der Gang an die Urnen kann nicht zur Disposition stehen. Er ist ein demokratisches Recht, dessen Legitimität nicht verhandelbar ist.« Das Publikum bekräftigte das durch den wiederkehrenden Sprechchor: »Wir werden wählen! Wir lassen uns nicht einschüchtern!«

Die Stadtverwaltung Barcelonas will sich dem angestrebten Referendum nicht widersetzen. Gerardo Pisarello, der aktuell die sich im Mutterschutz befindende Bürgermeisterin Ada Colau vertritt, sicherte im Sender TV3 der katalanischen Regierung die Unterstützung der örtlichen Behörden zu. Auch im Fall einer vom spanischen Staat ausgehenden Repression könne die Generalitat mit dem Beistand der Stadtverwaltung rechnen, solange sich die Volksbefragung im legalen Rahmen bewege, so Pisarello. Dies bezweifle er jedoch nicht.

Auf Distanz zur katalanischen Unabhängigkeitsbewegung geht dagegen die Linkspartei Podemos. Deren Vorsitzender Pablo Iglesias erklärte in der vergangenen Woche, ein Referendum sei nur rechtmäßig, wenn zuvor eine Übereinkunft mit dem spanischen Staat getroffen werde. Er stellte sich damit auf die Seite der »Venedig-Kommission«. Diese Instanz des Europarates, die Staaten in verfassungsrechtlichen Fragen berät, hatte Anfang Juni als Antwort auf eine Anfrage Puigdemonts erklärt, zur rechtmäßigen Durchführung eines Volksentscheides seien ein Dialog zwischen Madrid und Barcelona sowie konkrete Vereinbarungen nötig. Die von der postfranquistischen Volkspartei (PP) gestellte Zentralmacht setzt allerdings nach wie vor auf Repressalien und droht den Katalanen sogar mit der Aufhebung des Autonomiestatuts.

veröffentlicht in jw am 13_6_2017