Nach dem Tod eines senegalesischen Straßenhändlers protestieren in Spanien Tausende gegen staatlichen Rassismus
Am Donnerstag nachmittag brach im Madrider Stadtteil Lavapiés Mame Mbaye Ndiaye zusammen und erlag kurz darauf einem Herzinfarkt. Der Senegalese hatte an der Plaza del Sol Parfüm verkauft, als die Polizei begann, die Straßenhändler zu vertreiben. Nach Augenzeugenberichten verfolgten die Beamten Ndiaye und seine Kollegen auf Motorrädern. In der Calle del Oso endete die Hetzjagd schließlich mit dem Tod des 34jährigen.
Spontan fanden sich noch am frühen Abend auf der angrenzenden Plaza Nelson Mandela Hunderte Menschen ein. Für sie stand fest, dass die Polizei den Senegalesen in den Tod gehetzt hat. Die Staatsmacht zog auf, Sondereinheiten gingen brutal gegen die Demonstrierenden vor. Am Freitag morgen zeugten herausgerissene Pflastersteine, umgeworfene und ausgebrannte Container und eingeworfene Fensterscheiben von Bankfilialen von den nächtlichen Auseinandersetzungen. Während die linke Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena den Tod Ndiayes bedauerte und Ermittlungen ankündigte, schwieg die Präsidentin der die Hauptstadt und das sie umgebende Ballungsgebiet umfassenden Autonomen Gemeinschaft Madrid, Cristina Cifuentes von der rechten Volkspartei (PP), zu dem Vorfall.
Die Gewerkschaft der Straßenhändler, ein Zusammenschluss von zumeist papierlosen Immigranten, die sich durch den Verkauf von Waren den Lebensunterhalt verdienen, organisierte in mehreren Städten Demonstrationen unter dem Motto »Schluss mit dem institutionalisierten Rassismus«. In Barcelona und Pamplona verliefen die Proteste friedlich. »Gegen Kriminalisierung und Illegalisierung – Keine toten und eingesperrten Migranten mehr!« und »Überleben kann kein Verbrechen sein« war auf Transparenten zu lesen.
In Madrid versammelten sich rund 2.000 Menschen. »Die Polizei mordet«, »Mame, du bist unter uns« und »Madrid wird das Grab des Rassismus werden!« schallte es durch die Straßen von Lavapiés. Erneut ging die Polizei gegen die Protestierenden vor. Die reagierten mit Pflastersteinwürfen, während die Beamten Gummigeschosse in die Menge feuerten. Sechs Festnahmen wegen Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie über 20 Verletzte waren das Ergebnis der Auseinandersetzungen. Noch in der Nacht zum Samstag kursierte im Internet ein Video, das Polizisten zeigt, die auf einen jungen Mann einknüppeln, bis er blutüberströmt liegenbleibt. Am Wochenende wurde dann bekannt, dass es einen weiteren Todesfall gab. Ousseynou Mbaye, ein 54jähriger Straßenhändler, starb nach offiziellen Angaben an den Folgen eines Schlaganfalls.
Ohne die Illegalisierung und Kriminalisierung von Migranten und Flüchtlingen durch das spanische Ausländergesetz wäre Ndiaye wahrscheinlich noch am Leben. Er hatte als Aktivist der Straßenhändlergewerkschaft gegen den staatlichen Rassismus gekämpft, dessen Opfer er letztlich wurde. Mehr als zwölf Jahre lebte er im spanischen Staat, ohne Aussicht auf eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis.
Die Arbeit der Straßenhändler kann in Spanien mit Geldbußen zwischen 700 und 2.000 Euro bestraft werden. Bei mehrfacher Verurteilung drohen den Betroffenen sogar Internierung und Abschiebung. Der Verkauf gefälschter Markenartikel wird mit sechs Monaten bis zwei Jahren Gefängnis geahndet. Zumeist werden die Beschuldigten jedoch im Schnellverfahren abgeschoben. Malick Gueye, Sprecher der gewerkschaftlich organisierten Straßenhändler erklärt dazu, dass das Verkaufen auf der Straße »keine erstrebenswerte Tätigkeit« sei, »aber wir haben keine andere Möglichkeit. Um zu überleben, sind wir täglich polizeilicher Verfolgung und Kriminalisierung ausgesetzt.«
veröffentlicht in jw am 19_3_2018