Diada von unten

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Foto: Mela Theurer

Mit spektakulären Bildern war der katalanische Nationalfeiertag, die diada in den Schlagzeilen der internationalen Presse. Einmal mehr demonstrierte die katalanische Bevölkerung ihren Willen für eine demokratische Abstimmung über den Verbleib in der spanischen Monarchie und einer postfranquistischen PP an der Regierung. Im folgenden wird die verborgene diada, die Bewegung von unten für den sozialen Wandel dokumentiert. Denn die Chance dieses Prozesses liegt in der sozialen Veränderung.

Die diada beginnt für mich nicht mit dem offiziellen Akt des Vorabends. Auch nicht mit den Kranzniederlegungen vor dem Denkmal Rafael Casanovas. Wie jedes Jahr war auch diesmal der Auftakt für mich in der Carrer Ferran, wo sich pünktlich um 10.00 Uhr ca. 200 Personen einfanden, um in der Strasse , die von den Ramblas zum Rathaus führt, der Ermordung des 16-jährigen Gustau Muñoz zu gedenken. Tödlich getroffen durch die Kugel eines spanischen Nationalpolizisten im Jahr 1978 gab es für ihn und die Familie bisher keine Gerechtigkeit. Obwohl es sich um eine gezielte Hinrichtung handelte und der Täter bekannt ist, kam es nie zu einer Verurteilung. Oscar Reina, Sprecher der andalusischen sozialistischen Arbeitergewerkschaft SAT und David Fernández, ehemaliger Abgeordneter der CUP im katalanischen Parlament denunzierten die Straffreiheit und stellten den Kampf des ehemaligen Internationalisten und Sozialisten in den aktuellen Kontext. Im Anschluss daran folgte die traditionelle und wie immer kämpferische Demonstration der linken Jugendorganisation Arran. Mit Parolen: Ohne Feminismus keine Befreiung, die Strassen gehören uns, für die Unabhängigkeit, Weg mit dem Terrorismusgesetz und Freiheit für die politischen Gefangenen zogen um die 600 Personen vor das Kommissariat der Via Laietana, das für eine Geschichte der Repression und Folter steht. Das Gebäude wurde mit Farbeiern beworfen und es wurden Parolen für das Referendum und gegen die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen von Wahlmaterial skandiert.

Währenddessen ging mein Weg weiter zu einer Veranstaltung des procès constiüent –  aufbauender Prozesses, deren Mitbegründer der alternative Ökonom Arcadi Oliveras und die Harvard-Absolventin in Theologie und Nonne des Klosters Montserrat Teresa Forcades sind. Entscheidender Moment dieses Aktes war die Äusserung des zweiten Bürgermeisters Barcelonas Jaume Asens: Ja, wir werden die Urnen aufstellen“. Denn noch immer hat sich die Bürgermeisterin Ada Colau nicht definitv dazu entschieden. In einer Veranstalung zum Nationalfeiertag in der Kleinstadt Santa Coloma de Gramanat bekräftigte sie zwar: „Wir werden alles mögliche tun, um die Wahlen zu ermöglichen“. Eine konkrete Zusage zur Bereitstellung von Wahllokalen blieb jedoch aus.

Traditionell um 13.30 begann dann die Demonstration für die Freilassung der politischen Gefangenen. Um die 700 Personen forderten die Freilassung von Marina und Lola Lopéz und einer wegen Bankraubs in Aachen verurteilten Anarchistin. Es war eine der kämpferisten und stärksten Demonstrationen der letzten Jahre, auf der Angehörige der von Repression betroffenen Jugendlichen aus dem dem Baskenland u.a. die Situation der Repression gegen abertzale Linke schilderten.

Mit über 3000 Personen endete die Demonstration der linken Unabhängigkeitsbewegung am Passeig de Born, wo in Redebeiträgen eine Republik von unten, mit fundamentalen Rechten im Gesundheits-und Bildungsbereich für die Arbeiterschaft, Flüchtlige, MigrantInnen und Frauen gefordert wurde. Feminismus, Kultur von Unten, ökologische Nachhaltigkeit, Recht auf Bildung, Wohnung und Gesundheitsversorgung sind die Stichworte einer diada von unten.

Auf dem Fest für die Freiheit, veranstaltet von Òmnium Cultural kam fast gleichzeitig zu den Redebeiträgen am Born eine Botschaft der Musikgruppe Txarango die mir aus dem Herzen sprach: „Die katalanische Bewegung und insbesondere unser Wunsch und das Bestreben nach Unabhängigkeit wendet sich nicht gegen Spanien. Im Gegenteil. Wir lieben und achten die spanische Kultur. Aber wir wollen und brauchen soziale Veränderung. Wenn wir dies schaffen, wird auch das Spanien davon profitieren. Immer im Kontext eines Spaniens das sich jenseits der Monarchie und der PP-Regierung definiert. In diesem Sinne begreifen wir die Unabhängigkeit und unseren Wunsch auf eine freien katalanische Republik und fordern das Recht auf eine demokratische Abstimmung!“