Gemeint sind wir alle

Foto: Mela Theurer

Hundertausende beteiligen sich in Katalonien an Generalstreik für die Freiheit der politischen Gefangenen

Unter dem Motto „ohne Rechte keine Freiheit“ hatte die Gewerkschaft Intersindical CSC am 21. Februar zum Ausstand aufgerufen und zeigte sich über den Erfolg der Mobilisierung selbst überrascht. Es handelte sich um größte Beteiligung an einem Generalstreik seit 15 Jahren, nur übertroffen von dem zwei Tage nach dem Unabhängigkeitsreferendum organisierten Ausstand am 3. Oktober 2017. Soziale und arbeitsrechtliche Forderungen wie die Einführung der 35-Stundenwoche, eine Rentengarantie und Mindestlohn von 1.200 Euro sowie die Rücknahme der 2012 von der konservativen PP-Regierung durchgeführten Reform mit der Arbeitsrechte fast gänzlich ausgehebelt wurden, traten jedoch in den

Hintergrund. Vielmehr motivierte der Wille zum Aufbau einer demokratischen unabhängigen katalanischen Republik und die Solidarität mit den politischen Gefangenen, denen seit dem 12. Februar in Madrid der Prozess gemacht wird, zum Protest. Gegen zwölf Politiker und führende Vertreter der Unahbängigkeitsbewegung wird dort derzeit verhandelt. Wegen des Volksentscheids vom 1. Oktober 2017, bei der über 2 Millionen für die Loslösung vom spanischen Staat stimmten, drohen einigen der Angeklagten jetzt bis zu 25 Jahre Haft. Dass es sich dabei um einen Schauprozsess handelt der nur stellvertretend gegen die politischen Verantwortlichen und (ehmaligen) Vorsitzenden der Basisorgansiationen Òmnium Cultural und ANC geführt wird, ist in der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung unumstritten. Dieses Bewusstsein mobilisert und bringt trotz Zerstrittenheit der Parteien und eines stagnierenden und von Repression durchzogenen Unabhängigkeitsprozess die Massen immer wieder auf die Straße.

Ab 4 Uhr morgens begannen am frühen Donnerstag Morgen bereits die Blockaden der Autobahnen und wichtigsten Zufahrstraßen zu den katalanischen Metropolen und Industriezentren. Die von den Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR) organisierten Barrikaden wurden von der katalanischen Polizei zum Teil brutalst geräumt und während des gesamten Streiktages immer wieder neu organisiert. Bei den Räumungen kam es zu mehreren vorläufigen Festnahmen.

In Barcelona zogen in einem immer breiter werdenden Zug Mitglieder der CDR’s und der 50 am Streikaufruf beteiligten Organisationen und Gewerkschaften zum Ausgangspunkt der Mittagsdemonstration. Auf ihrem Weg zur Plaça Universidad wurden u. a. der Sitz der Nationalpolizei, des Arbeitgeberverbandes und der Einheitsgewerkschaft CCOO mit Eiern und Farbbeuteln beworfen, sowie mit Parolen besprüht. Die CCOO wurde im Vorfeld dafür kritisiert, dass sie sich nicht am Ausstand beteiligt hatte. Hundertausende versammelten sich schließlich auf Plaça Universidad und zogen von dort weiter zur Plaça Catalunya, wo im Anschluss an die Demo SchülerInnen und StudentInnen mehrfach die Bahngleise besetzten und somit über zwei Stunden den Bahnverkehr behinderten.

In ganz Katalonien kam es über den Tag hinweg zu Demonstrationen und Blockaden. Am Abend wurde dann noch einmal in den Metropolen zu Einheitsdemonstrationen aufgerufen. Girona erlebte mit 70.000 Personen laut Polizeiangaben die größte Mobiliserung seit Beginn des Unabhängigkeitsprozesses. Auch in anderen Städten folgten Tausende den Aufrufen. Der Streit um die Teilnehmerzahlen auf der Demonstration in Barcelona hätte größer nicht sein können. Während die Polizei von 40.000 sprach, nannten die VeranstalterInnen eine Teilnehmerzahl von 200.000. Luftaufnahmen zeigen eine starke Beteiligung. Vom Stadtteil Gracia bis hinunter zur Plaça Catalunya wo sich die Bühne der Abschlusskundgebung befand, standen die Menschen dicht gedrängt. Sprechchöre forderten immer wieder Unabhängigkeit, Einheit und Freiheit der politischen Gefangenen.

David Fernandez von der CUP erinnerte im Auftaktbeitrag an die über 1.500 ausstehenden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Referendum und an die Repression gegen die sozialen und politischen Bewegungen, die derzeit einmal mehr in einem politischen Schauprozess ihren Ausdruck findet. In den folgenden Redebeiträgen wurde immer wieder die Freiheit der Gefangenen und die Rückkehr der Exilierten sowie die Garantie der demokratischen Rechte gefordert. Ramon Font von der LehrerInnengewerkschaft USTEC nannte dann erste Zahlen. Demzufolge folgten im Bildungsbereich 60% dem Ausstand, im Verkehrswesen war die Beteiligung mit 20-25% geringer und auch nur 30% der Geschäfte blieben geschlossen. Dennoch wertete sowohl er wie auch Ângels Massíp von der CSC den Streik als vollen Erfolg.

Nach Beendigung der Demonstrationen zogen mehr um die 400 Personen, vorwiegend aus dem CDR-Spektrum, vor den Sitz der katalanischen Regierung, um die Entlassung des Innenministers Buch zu fordern. Angesichts des brutalen Vorgehens der katlanischen Polizei gegen Demonstrierende forderte auch der CUP Sprecher Vidal Arragonés „Wir wollen keine Erklärungen mehr und keinen Rücktritt, wir fordern die sofortige Entlassung Buchs aus dem Amt“.