Keine Vorverurteilung von Rodrigo Lanza

Rodrigo Lanza bei einer Veranstaltung zum 4F im Dezember 2016 in Barcelona Foto: Mela Theurer

Rodrigo Lanza wird nach dem Tod eines 55-jährigen Falange-Sympathisanten in Zaragoza in der Presse vorverurteilt. Doch über den Abend an dem Victor Laínez die tödlichen Verletzungen zugefügt wurden, gibt es widersprüchliche Versionen

In der Nacht auf den 8. Dezember kommt es vor der Bar Tocadiscos zu einer Auseinandersetzung nach der Victor Laínez schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wird. Fünf Tage später erliegt der 55-Jährige seinen Verletzungen. Als Autor der Agression wird Rodrigo Lanza, Aktivist aus der linken Bewegung, festgenommen. Nach Bekanntwerden des Falles wird sowohl in der Presse wie auch in sozialen Netzwerken eine Kampagne gegen Lanza losgetreten. Ohne dessen Stellungnahme zu kennen, übernehmen die Medien spekulativ und unhinterfragt Versionen, die Lanza belasten. Denn auch wenn Laínez durch dessen Schlag ums Leben kam, sind die Umstände und der Tathergang genau zu hinterleuchten. Lanza erklärte,  er habe aus Selbstverteidigung auf einen Angriff von Laínez reagiert. Angehörige und FreundInnen veröffentlichten eine Stellungnahme, in der sie den Angehörigen des Opfers ihre Anteilnahme aussprachen und die Version Rodrigo Lanzas darstellten. Demnach soll Laínez Lanza in der Bar zu sich gerufen und ihn beleidigt haben.  Als Lanza mit seinen drei BegleiterInnen das Lokal verliess, sei ihm Laínez gefolgt und habe ihn mit einem Messer attackieren wollen, worauf er ihm ins Gesicht geschlagen habe. Wie dies mit dem Autopsiebericht in Einklang zu bringen ist, nach dem Laínez Tod durch einen Schlag auf den Kopf, vermutich mit einem harten Gegenstand, herbeigeführt und dass dessen Gesicht vermutich durch Fusstritte deformiert wurde, müssen die Ermittlungen zeigen. Dass es diesmal ein faires Verfahren gegen Lanza gibt, bleibt zu hoffen. Denn dessen Erfahrungen mit der Justiz sind andere.

2008 war Lanza zu vier Jahren Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung an einem Polizisten verurteilt worden. Er wurde für einen Blumentopfwurf verantwortlich gemacht, der  am 4. Februar 2006 einen Polizisten der Guardia Urbana schwer verletzte. Im Rahmen der Räumung einer Party in einem besetzten Haus in Barcelona war es zu Auseinandersetzung zwischen Feiernden und der Polizei gekommen. Aus dem Haus war ein Blumentopf geworfen worden, der einen unbehelmten Polizisten traf. Rodrigo Lanza, der sich zu diesem Zeitpunkt auf der Strasse aufhielt, wurde festgenommen und wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Da der Auftenthaltsort Lanzas allerdings nicht mit dem Ort übereinstimmte, aus dem der Blumentopf flog, wurde kurzerhand die Version geändert. Ein von der Strasse aus geworfener Stein sollte schliesslich zur schweren Verletzung des Beamten geführt haben. Die Dokumentation Ciutat Morta, 10 Jahre nach den Ereignissen um den 4. Februar erschienen, widersprach der offiziellen Version und entlarvte ein Netz aus polizeilicher und administrativer Korruption. Die vier in dem Fall verurteilten Jugendlichen wurden darin entlastet. Ebenso wurden Polizeimethoden wie Beschimpfungen, Beleidigungen bis hin zu physischer Folter beschrieben. Neben der Veruteilung der Jugendlichen hatte der Fall noch einmal eine ganz besondere Tragik: Patricia Heras, eine in dem Fall angeklagten, hatte dem extremen Druck nicht standgehalten und sich bei einem Freigang das Leben genommen.

Nach seiner Freilassung hatte Lanza erklärt, er glaube nicht an das Rechtssystem und suche nach Vergeltung für das, was ihm widerfahren ist. Diese Aussage nahmen nicht nur rechte Medien zum Anlass, den Tod von Laínez als Vergeltungstat zu verurteilen. El Periodico suggestierte mit dem Titel „Ich suche nach Rache, das habe ich ganz klar“  vom 15. Dezember dass Lanza mit dieser Tat nun Vergeltung geübt habe. Im weiteren Artikel werden die jahrelange Recherche von Ciutat Morta in Frage gestellt. Es heisst darin: „Diese Tat wirft nun ein ganz neues Licht auf die Ereignisse von damals.“ Leider ist dies nur ein Beispiel von vielen. In fast der gesamten spanischen Presse wurde Lanza bisher vorverurteilt. Doch fehlende Recherche und eine politische Instrumentalisierung des Falles zeugen von einem lamentablen Journalismus. Dessen Augenmerk sollte diesmal darauf liegen, dass Rodrigo Lanza ein gerechtes Verfahren bekommt.