Nächtlicher Überfall


Polizeiaktionen gegen anarchistische Bewegung in Spanien. Mehr als 2.000 Menschen demonstrieren gegen Repression
Die Bewohner des seit 25 Jahren besetzten Wohn- und Kulturprojekts Kasa de la Muntanya in Barcelona wurden am Dienstag jäh aus dem Schlaf gerissen. In der sogenannten Operación Pandora überfiel die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra mit einem Aufgebot von 700 Beamten um fünf Uhr früh das besetzte Haus. Während ein Hubschrauber mit Suchscheinwerfer über dem Gebäude kreiste, brachen die Mossos die Eingangstür auf und verschafften sich in einer Überraschungsaktion Zugang zu dem Wohnprojekt.

Außerdem wurden das soziale Zentrum in San Andreu sowie das anarchistische autonome Zentrum im Stadtteil Poble Sec durchsucht. In Privatwohnungen in mehreren Stadtteilen Barcelonas sowie in den katalanischen Kleinstädten Manresa und Sabadell, aber auch in Madrid erfolgten Durchsuchungen und anschließende Festnahmen. In der von dem Richter des spanischen Gerichtshofes Audiència Nacional Javier Gómez Bermúdez angeordneten Aktion wurden im Laufe des Tages elf Personen verhaftet, zehn in Katalonien, eine in Madrid.

In der Kasa de la Muntanya dauerte die Polizeiaktion über zwölf Stunden. Die Mossos beschlagnahmten neben Computern, elektronischen Geräten, Handys, Dokumenten und Spielzeug sämtliche persönliche Dokumente der Bewohner. Alle Erwachsenen wurden im Gebäude festgehalten, lediglich die Kinder durften mit Begleitpersonen das Haus verlassen.

Die katalanische Ermittlungsbehörde nutzte den Auftrag aus Madrid für ihre Zwecke und trug tonnenweise Material aus dem besetzten Haus, mit deren Auswertung sie in den nächsten Wochen beschäftigt sein wird. Der katalanische Innenminister Espadaler verkündete, der Schlag richte sich gegen den gewaltbereiten Anarchismus; die durchsuchten Objekte und verhafteten Personen stünden im Zusammenhang mit Sprengstoffanschlägen auf Banken. Seit zwei Jahren würden die katalanischen Behörden in diesem Zusammenhang bereits ermitteln.

Die Antwort auf die Repression blieb nicht aus. In den frühen Morgenstunden des Dienstag blockierten in Barcelona an die hundert Personen eine Hauptverkehrsader und versammelten sich zu einem spontanen Protest. Auch am Abend gab es gegen die Repression in der katalanischen Metropole eine klare Antwort. Über 2.000 Personen kamen zu einer Demostration unter dem Motto »Wir lassen uns nicht einschüchtern« zusammen. Es kam zu punktuellen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die den Parteisitz der katalanischen Christdemokraten abriegelte und den Demonstrationszug nicht passieren lassen wollte. Auch in anderen Städten wie Valencia gab es Solidaritätsproteste. Dort demonstrierten um die 200 Personen.

Die »Operación Pandora« fand kurz vor einer geplanten Großdemonstration in Barcelona gegen das sogenannte Ley Mordaza statt, einem Gesetz, das die konservative Volkspartei PP am 11. Dezember im Alleingang und gegen den Widerstand aller anderen Parteien verabschiedet hat. Dieses Gesetz setzt alle Grundrechte bezüglich Demonstrations- und Meinungsfreiheit außer Kraft, kriminalisiert oder belegt Protest und Widerstand mit hohen Strafen und erteilt der Polizei das absolute Gewaltmonopol.
veröffentlicht in jw am 18_12_2014