Polizei gegen Urnen

 

Foto: Mela Theurer

41 Durchsuchungen in katalalanischen Institutionen, Ministerien und Privatwohnungen sowie 15 Verhaftungen sind die Antwort aus Madrid auf Dialogversuche der katalanischen Regierung über die Wahl am 1. Oktober. Mit diesem Schlag gegen die Infrastruktur soll das Unabhängigkeitsreferendum verhindert werden

Gegen 8.00 Uhr morgens drangen Beamte der paramilitärischen Guardia Civil in neun Ministerien und katalanische Einrichtungen ein. Bei dieser großangelegten Polizeioperation gemeinsam mit der spanischen Nationalpolizei ging es um die Sicherstellung von Material über das Referendum und die Zerschlagung der Infrastruktur. Von den Durchsuchungen betroffen sind unter anderem die Ministerien für Soziales, Arbeit sowie Wirtschaft und Finanzen. Spontan versammelten sich Mitglieder der Gewerkschaft Comissiones Obreres, welche ihren Sitz gegenüber des ebenfalls von den Durchsuchungen betroffenen Ministeriums für außenpolitische Angelegenheiten hat. Auch an anderen Orten kam es zu spontanen Protesten. Zentrum der Mobilisierungen bildet das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, wo sich bis zum heutigen Abend ca. 40.000 Personen einfanden. In festlicher Stimmung wird immer wieder die Hymne der Segadors sowie L’Estaca von Lluís Llac gesungen. „Wir haben keine Angst“, „Wir werden wählen“ und „Die Strassen gehören immer uns“ schallt in lauten Sprechchören durch die Stadt.

Auch der Sitz der antikapitalistischen Kandidatur für die Volkseinheit CUP war von der Repression betroffen. Dort versuchten vermummte Beamte ohne richterlichen Beschluss einzudringen. Bewaffnete Nationalpolizisten, mit Gummigeschoßgewehren ausgerüstet umstellten die Straßen vor dem Gebäude. Mehrere tausend UnterstützerInnen blockierten jedoch den Zugang und verhinderten das Eindringen der Polizisten. Der einstige Bürgermeister Barcelona Trias sowie der ehemalige Kongressabgeordnete der Republikanischen Linken (ERC) Alfred Bosch trafen zur Beratung mit Vertretern der CUP und zu deren Unterstützung ein. Kurz nach 20.00 zog die Nationalpolizei schließlich erfolgslos ab.

Unterdessen wurde vor dem Finanzministerium eine Kundgebung abgehalten. Die Präsidenten der Katalanischen Nationalversammlung ANC Jordi Sánchez und Jordi Cuixart von Òmnium Cultural verurteilten die Polizeiaktion und drückten ihre Solidarität mit den Festgenommenen aus. Für den kommenden Donnerstag wurde um 12.00 zu einer Kundgebung vor dem Obersten Katalanischen Gerichtshof TSCJ aufgerufen, um dort die Freilassung der Festgenommen zu fordern.

Unter den Verhafteten befinden sich Mitglieder der Regierung, die mit der Durchführung des Referendums beauftragt sind, Informatiker sowie der Besitzer einer Lagerhalle, in der über 9 Millionen Wahlzettel beschlagnahmt wurden. Deren Abtransport wurde durch eine Sitzblockade über mehrere Stunden hinweg verhindert. Die Intervention des Bürgermeisters überzeugte die BlockiererInnen schließlich, den Weg freizugeben.

Eine der Verhafteten ist die Direktorin der Firma T-Systems aus Madrid, die nach Barcelona überstellt wurde. Die Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom hatte bereits beim Referendum am 9. November 2014 die Infrastruktur geschaffen.

Die in Barcelona begonnen Mobilisierungen weiteten sich am Abend auch auf andere Städte und Gemeinden aus. In Girona und Tarragona demonstrierten 10.000 Personen für das Referendum. Zahlreiche Plätze von Ripoll bis Tortosa füllten sich mit Protestierenden. Die Kundgebung in der spanischen Hauptstadt Madrid auf dem Platz Puerta del Sol wurde von einer Gegenkundgebung zu stören versucht. Die faschistische Falange hatte zu einer Demonstration für die Einheit Spaniens aufgerufen.

Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont sprach von einem de facto Ausnahmezustand und verurteilte die Polizeioperation als antidemokratisch und autoritär. Zustimmung bekam er von dem linken Bündnis Catalunya en Comú (CeC). In einer Erklärung rief es dazu auf, an den Protesten teilzunehmen. Wie bereits Präsident Puigdemont sprach BeC von einer de facto-Aufhebung des Autonomiestatus. Susana Díaz Regierungschefin der andalusischen Sozialdemokraten PSOE hingegen war der Schlag gegen die katalanischen Institutionen nicht genug. Sie sprach sich für die Anwendung des Artikels 155 und somit für die Suspension der Autonomie aus.

Ministerpräsident Rajoy hielt unterdessen an seinem verkrusteten Diskurs fest. „Ein Referendum wird es nicht geben und kann es jetzt auch nicht mehr geben“ zeigte sich der Chef der postfranquistischen Regierungspartei nach der Polizeioperation überzeugt. „Um Schlimmeres zu verhindern sollte die katalanische Regierung ihre Pläne für das illegale Referendum aufgeben“ drohte er weiter.

In Katalonien zeigt man sich jedoch unbeeindruckt. Vor dem Finanzministerium befinden sich um Mitternacht noch immer Tausende, viele davon bereit, dort die Nacht zu verbringen, bis die Guardia Civil abzieht.