Schatten des Krieges

Foto: Mela Theurer

Opfer aus 34 Ländern: Nach Anschlag einer IS-Terrorzelle viele Tote und Verletzte in Barcelona. Schock in Touristenmetropole

Am Tag nach dem Attentat herrscht in der sonst so quirligen katalanischen Hauptstadt Trauer. Zur Mittagsstunde versammelten sich am Freitag Tausende auf der Plaça de Catalunya im Zentrum Barcelonas, um mit einer Schweigeminute der Opfer zu gedenken. Spaniens König Felipe war ebenso zugegen wie Regierungschef Mariano Rajoy und Kataloniens Premier Carles Puigdemont, die ihren Urlaub abgebrochen hatten, um in die Stadt am Mittelmeer zu kommen. In der Nähe dieses Platzes, am oberen Ende des von Einheimischen und Touristen üblicherweise dicht bevölkerten Prachtboulevards Las Ramblas, hatte ein Täter am Donnerstag gegen 17 Uhr mit einem Lieferwagen seine Horrorfahrt in die Menschenmenge gestartet. Erst nach etwa 600 Metern kam das Auto auf Höhe des Opernhauses Gran Teatre del Liceu zum Stehen, der wohl unbewaffnete Fahrer flüchtete zu Fuß in den angrenzenden Stadtteil Raval. Hinterlassen hatte er eine Schneise des Grauens: 13 Menschen starben – nach Angaben der Einsatzkräfte vom Freitag nachmittag –, mehr als hundert Besucher der Flaniermeile wurden verletzt, 17 von ihnen sind noch nicht außer Lebensgefahr. Die Opfer stammen aus 34 Ländern.

Die Gegend wurde sofort nach dem Anschlag von den zahlreich mobilisierten Sicherheitskräften weiträumig abgesperrt. Umliegende Gebäude wurden evakuiert. Bis kurz vor Mitternacht galt ein Teil der Ramblas als Sperrzone – weder Anwohner noch Touristen konnten zu ihren Wohnungen und Hotels gelangen. Von den katalanischen Behörden wurde der für solche Fälle entwickelte »Antiterroristische Plan« umgesetzt, der erhöhte Schutzmaßnahmen vorsieht und die Fahndung nach Attentätern erleichtern soll.

Wenige Stunden später der nächste Alarm. Ein Anschlag im Küstenort Cambrils südwestlich von Barcelona. Die Polizei erschießt fünf Männer auf der Flucht. Gegen 1.30 Uhr in der Nacht zu Freitag sollen sie auf der dortigen Promenade mit einem Auto Jagd auf Passanten gemacht haben. Von den sieben verletzten Opfern der Attacke überlebte eine Frau deren Folgen nicht. Inzwischen bringt die Polizei die Vorfälle auch mit einer Explosion in einem Wohnhaus in der etwa 150 Kilometer südlich von Barcelona gelegenen Ortschaft Alcanar am Abend des 16. August in Verbindung. Dabei wurden eine Person getötet und mehrere verletzt.

Noch am Donnerstag abend hatte die sich als »Islamischer Staat« ausgebende Terrormiliz über ihr Sprachrohr Amak die Verantwortung für das Massaker für sich reklamiert. Es folgt einem Tatmuster, wie man es von den Anschlägen in Berlin und Nizza kennt. Auch die katalanische Metropole war potentielles Ziel. Als Tourismusmagnet profitiert sie von der unsicheren Lage in nordafrikanischen Ländern, aber auch in der Türkei. Vier Tatverdächtige, die der Polizei – die eine größere Zelle vermutet – ins Netz gingen, haben keine bekannte terroristische Vorgeschichte.

Aus aller Welt trafen Beileids- und Solidaritätsbekundungen ein, auch von US-Präsident Donald Trump. In einem weiteren Tweet stellte er eine Massen­exekution aufständischer Muslime auf den Philippinen 1911 – eine Legende – als Vorbild heraus. Sowohl der katalanische Regierungschef als auch Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau warnten vor Islamhass und verteidigten eine offene, humane Gesellschaft. In Deutschland griff die AfD die Anschläge als Munition für ihren nach NPD-Manier geführten Wahlkampf auf. Spitzenkandidatin Alice Weidel sieht darin die Folge einer »laxen Immigrationspolitik«. Die Kommunistische Jugend Kataloniens (JCC) verurteilte die Terroristen energisch – »ebenso wie die Regierungen, die sie als Fußvolk für ihre imperialistischen Kriege finanziert haben.«

veröffentlicht in jw am 19_8_2017