Auf dem Weg zur Macht?

Spaniens »Podemos« hofft, vom Syriza-Sieg in Griechenland zu profitieren
Der Wahlsieg der griechischen Linkspartei Syriza hat auch in Spanien Hoffnungen auf ein Ende des bestehenden Zweiparteiensystems geweckt. Pablo Iglesias, der Generalsekretär der neuen Partei »Podemos« (Wir können), die nach Umfragen die Ende des Jahres anstehenden Parlamentswahlen gewinnen könnte, wertete die Regierungsübernahme durch Alexis Tsipras in Athen als Anbruch einer neuen Ära auch für Spanien.

Auch Íñigo Errejón, Nummer zwei der Partei, gratulierte den Griechen, die sich trotz einer Angstkampagne gegen die ineffiziente und ungerechte Sparpolitik der EU gestellt hätten. »Griechenland hat jetzt endlich eine griechische Regierung und keinen Abgesandten Merkels mehr«, verkündete Iglesias, der für Spanien auf ein ähnliches Szenario hofft.

Podemos entstand Anfang 2014 nach einem Appell von 30 Intellektuellen und Aktivisten sozialer Bewegungen, die dazu aufriefen, »die Empörung in politischen Wandel« umzumünzen. Schon wenige Wochen später konnte die erst im März offiziell registrierte Partei bei den Europawahlen fast acht Prozent der Stimmen gewinnen und als viertstärkste Kraft Spaniens fünf Abgeordnete nach Brüssel schicken. Doch Carolina Bescansa, bei Podemos verantwortlich für politische und soziale Analyse, bekräftigte, die Partei habe sich gegründet, »um zu regieren. Uns liegt nichts daran, dritte, vierte oder fünfte Kraft zu sein«.

Zentrales Zugpferd ist Pablo Iglesias Turrión, ein Politikwissenschaftler mit Lehrstuhl an der Universidad Complutense de Madrid, der als Fernsehmoderator der Sendung »La Tuerka«, die zunächst von einigen kleinen Alternativsendern in Madrid ausgestrahlt wurde, und von »Fort Apache« in dem spanischsprachigen iranischen Sender Hispan TV zu großer Popularität gelangt war. Gegen die Ikonisierung des Parteichefs regte sich zwar interner Widerstand, dieser konnte jedoch seine Position nicht schwächen. Viele bisherige Wähler der Sozialdemokraten oder der Vereinigten Linken sehen wegen oder trotz Iglesias in Podemos eine Alternative, die das seit dem Ende der Franco-Diktatur bestehende Zweiparteiensystem aus sozialdemokratischer PSOE und rechtskonservativer PP zu Fall bringen könnte. Ähnlich wie in Griechenland Syriza hat auch Podemos angekündigt, nach einem Wahlerfolg die Staatsschulden auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu wollen. Änderungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik und das Entstehen einer südeuropäischen Allianz gegen die Kürzungspolitik der Troika könnten auch andere Länder motivieren, sich dem EU-Diktat zu widersetzen.

Programmatisch fordert Podemos die Aufhebung der 2011 in die spanische Verfassung aufgenommenen »Schuldenbremse«. Die Organisation steht für die Einführung der 35-Stunden-Woche, die Absenkung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre, die Einführung eines Mindestlohns sowie die Umwandlung der Europäischen Zentralbank in eine demokratische Institution im Dienst der Bürger. Als Hauptfeind gilt die Politikerkaste und ihre Verstrickung in unzählige Korruptionsfälle. Doch auch wenn Podemos vielen als neuer Stern am spanischen Parteienhimmel gilt, würde ein Wahlsieg allein keine sozialen Veränderungen garantieren. Podemos wird kaum die absolute Mehrheit erringen und daher – wie Syriza in Griechenland – auf Koalitionspartner angewiesen sein. Es dürfte aber ausgeschlossen sein, dass die Sozialdemokraten der PSOE einem Bruch mit den gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen zustimmen. Näher steht Podemos die Vereinigte Linke (IU), mit der sie im EU-Parlament gemeinsam in der Linksfraktion GUE-NGL sitzt. Während Iglesias bislang jedoch alle Bündnisangebote der IU zurückgewiesen hat, zeichnen sich bei den im März bevorstehenden Kommunalwahlen zumindest mancherorts Allianzen ab.
veröffentlicht in jw am 30_1_2015